Nach einen Mühlenbrand im August 2015 kommt es bei Kirchberg zu einem enormen Fischsterben. Die Jagst hat sich noch nicht davon erholt – und wird auch noch viele Jahre dafür brauchen.

Kirchberg - Diesen Tag vor drei Jahren hat Bruno Fischer bis heute nicht vergessen. Als ihn am 23. August, einem Sonntagmorgen, um 7 Uhr in der Früh die Nachricht erreicht, ahnt der Nabu-Vorsitzende aus Kirchberg (Kreis Schwäbisch Hall) bereits, dass sich das Leben in und an der Jagst auf Jahre hin verändern wird. Bei Löscharbeiten eines Brandes in der Lobenhausener Mühle ist mit Ammoniumnitrat kontaminiertes Wasser in den Fluss gelangt. Alles Leben darin ist über eine weite Strecke ausgelöscht. 20 Tonnen toter Fische werden in den folgenden Tagen geborgen. „Es wird zehn bis 20 Jahre dauern, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt ist“, prognostizierte Fischer damals.

 

Nur noch wenige Fische tummeln sich im Wasser

Heute, drei Jahre später, weiß der Lehrer, dass er mit seinen Befürchtungen recht hatte. Wir treffen ihn an der Jagstbrücke unterhalb von Schloss Kirchberg. Am Wehr fließt das (aufgrund der Trockenheit noch spärlichere) Wasser in den abzweigenden Mühlkanal; unterhalb der Steinmauer nur noch Rinnsale. Es wuchern Pflanzen und Büsche. „Hier habe ich früher Forellen geangelt“, erinnert sich Fischer. Heute machen wir in den kleinen Tümpeln lediglich einige zentimetergroße Fische aus. „Fast nur Döbel“, der Naturschützer schüttelt den Kopf, „in ihrer Jugend sind sie Friedfische, erwachsen werden sie zu Räubern.“ Und die fressen, was ihnen zwischen die Kiemen kommt. Vor dem Unglück, erzählt Fischer, existierten 21 Arten in der Jagst. Aktuell haben sie beim elektrischen Abfischen noch neun gezählt: „Wir haben derzeit fünf bis zehn Prozent des ursprünglichen Bestandes.“

Fortschritte gibt es natürlich auch. Im Zuge des Aktionsprogramms Jagst, für das das Land 14 Millionen Euro bereitgestellt hat, wurden viele Maßnahmen ergriffen, um die Gesundung des Flusses zu unterstützen. Altarme wurden wiederhergestellt, Wehre geschleift, Inseln und Eisvogelsteilwände angelegt, Ufergelände wurde zum Rückzugs- und Laichgebiet für viele Tierarten umgestaltet. Oberhalb von Kirchberg hat der Naturschutzbund 3,5 Hektar am Fluss gekauft und einiges dazugepachtet. „Diese Fläche haben wir aus der intensiven Landwirtschaft herausgenommen“, spricht der Naturschützer ein grundsätzliches Problem an: Die Jagst ist durch Gülle stark überdüngt. Verstärkt durch die Hitze haben sich Grünalgen entwickelt, der Sauerstoffmangel im Wasser ist dramatisch. Im Biotop greift sich Fischer einen bemoosten Stein aus dem Fluss. „Alle Steine sind von Algen bewachsen“, erklärt er, „viele Fische brauchen zum Laichen aber Kiesgrund.“

Man hat sich auf Schadenersatz geinigt

Es mangelt also an Leben, weniger an Geld. Auf 650 000 Euro Schadenersatz für die toten Fische und die geleistete Bergung haben die betroffenen Fischereivereine den Mühlenbesitzer verklagt. Jetzt hat man sich mit der Versicherung auf eine Vergleichssumme von 230 000 Euro geeinigt. 80 000 Euro bekommt der Fischereiverein Kirchberg, der mit rund zehn Tonnen toter Fische am stärksten betroffen war – und am wenigsten ausrichten konnte gegen die Giftwolke, die seinen Flussabschnitt am heftigsten getroffen hat. „Die Kollegen flussabwärts haben viele Arbeitsstunden geltend gemacht“, sagt Fischer, „die konnten ja auch etwas tun.“

Tagelang haben neben den Mitgliedern der Fischereivereine Mitarbeiter vom Technischen Hilfswerk, Deutschen Roten Kreuz und viele Freiwillige Zuflüsse abgedichtet, Fische umgesetzt, Wasser in den geschädigten Fluss gepumpt. Ein gewaltiger Aufwand. Kurz vor dem dritten Jahrestag hat sich das Land nun mit den betroffenen Kreisen Schwäbisch Hall, Hohenlohe und Heilbronn auf die Erstattung der Kosten geeinigt, die ihnen entstanden sind. 2,1 Millionen der geforderten knapp drei Millionen Euro, also rund 70 Prozent, übernimmt das Land. Im Gegenzug zahlen die Versicherung des Mühlenbesitzers 900 000 Euro und die Stadt Kirchberg 70 000 Euro ans Land.

Verfahren gegen Mühlen-Angestellten läuft

Nicht abgeschlossen ist dagegen das Verfahren gegen den Angestellten der Mühle. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Mann einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung beantragt. Sie legt ihm zur Last, auf dem Gelände Abfälle verbrannt und die Brandstelle unbeaufsichtigt verlassen zu haben. Gegen den Inhaber der Mühle wurde ebenfalls ein Strafbefehl beantragt. Ihm wird fahrlässige Gewässerverunreinigung vorgeworfen. Der Mann hatte ammoniumhaltigen Mineraldünger ohne behördliche Genehmigung gelagert. Beide Strafbefehle werden derzeit geprüft.

An den lauschigen Ufern der Jagst suchen auch an diesem heißen Tag viele Menschen Kühlung im Fluss – trotz der Schilder „Baden auf eigene Gefahr“. Schwimmt auch Bruno Fischer hier? Seine Antwort ist knapp und entschieden: „Nein, nie!“