Der Jazz-Pianist Patrick Bebelaar hat viel mit dem verstorbenen Trompeter und Flügelhornisten Herbert Joos gespielt. Im Interview spricht Bebelaar über Joos’ Vermächtnis und das Gedenkkonzert an diesem Sonntag im Theaterhaus.

Stuttgart - Patrick Bebelaar hat viel mit dem großen Trompeter und Flügelhornisten Herbert Joos musiziert. Vor dem Gedenkkonzert im Theaterhaus spricht er über Joos’ Vermächtnis.

 

Herr Bebelaar, was hat Sie mit Herbert Joos verbunden?

Ich kannte ihn 21 Jahre. Das Besondere an ihm ist natürlich die Art, wie er gespielt, soliert, seine Melodien gefunden hat. Unabhängig von der Komplexität der Stücke hatte Herbert immer großartige Einfälle. Diese Spontanität, erfüllt von seinem extrem persönlichen, warmen Sound, war schon außergewöhnlich. Egal, was passiert ist auf der Bühne, für Herbert war alles ein Startpunkt, um eine Geschichte neu zu erzählen oder in eine andere Richtung laufen zu lassen. Dazu kommt die menschliche Seite: Herbert war ganz und gar Künstler, Freiheit war für ihn auf der Bühne wie im Leben entscheidend.

Wie sind Sie an das Gedenkkonzert herangegangen?

Ich war mit dem Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier schon in Gesprächen über ein Konzert zu Herberts 80. Geburtstag, der am 21. März gewesen wäre. Jetzt mussten wir das natürlich ganz anders planen. Die Frage war, wer dabeisein kann und soll – denn da gäbe es ganz schön viele. Herbert war ja so eine unglaublich warmherzige Seele. Ich habe viele Leute angerufen und viele, die ich gar nicht auf der Liste hatte, haben mich angerufen. Viele haben Videobotschaften geschickt, mehr als wir an dem Abend zeigen können. Darunter sind Leute wie Till Brönner oder Paolo Fresu, die nie mit Herbert gespielt haben, die ihn aber schätzen wegen seines Tons, seiner Art zu spielen, auf der Bühne zu tanzen und das Leben zu feiern. Davon haben sich viele inspirieren lassen.

Haben die Gespräche mit den Kollegen Ihre Trauerarbeit erleichtert?

Ja, sehr. Mit Joachim Kühn habe ich eine Stunde lang telefoniert und es war so herzerfrischend, was er – wie viele andere – über Herbert erzählt hat. Da ist mir das gute Gefühl gekommen, dass er die Zeit, die er hatte, gut ausgeschöpft hat. Er war ja faszinierend produktiv, hat viele Konzerte gegeben, Alben aufgenommen, Bilder gemalt, da steckte viel Arbeit und Disziplin drin. Und er hatte ein gutes Maß an Selbstironie. Er wusste genau, was er kann und will und was nicht und ist damit souverän und offen umgegangen. Selbst im Krankenhaus auf der Intensivstation hat er noch vor Charme gesprüht mit den Schwestern, die ganz begeistert waren von ihm. Bis zum Schluss war er freundlich und lustig, das war ihm wichtig. Ich habe mit niemandem so viel gelacht, aber auch mit niemandem so viel geweint. Herbert war sehr empathisch, er hat genau beobachtet, was in der Welt passiert, sich Dinge zu Herzen genommen und das auch ausgekostet. Diese Seite hat er öffentlich natürlich nicht so gezeigt.

Wie wird der Konzertabend ablaufen?

Die Hauptrede hält der Jazzkritiker Thomas Staiber, wir zeigen einen Film über Herbert und in kurzen Blöcken gebündelt Videobotschaften. Jeder spielt sein Farewell und sagt vielleicht ein paar Worte. Am Schluss steht dann Herberts Musik stehen, drei Stücke in verschiedenen Besetzungen. Wir spielen seinen „Lovesong“, den er immer als „Krieglied“ bezeichnet hat. Das hat nichts mit Krieg und Frieden zu tun hat, sondern mit den schnulzigen Filmen, die er so mochte: ob die sich am Schluss auch kriegen. Außerdem „Heavy Chicken“ und „Song for Thelonius“, eines seiner Paradestücke.

Was ist das für eine unveröffentlichte Aufnahme, die die Besucher bekommen?

Nachdem Herbert und ich 2018 bei den Schlossfestspielen aufgetreten waren, haben wir zwei Wochen später nachts eine Aufnahme im Ordenssaal des Schlosses gemacht, der wahnsinnig toll klingt. Allerdings war es nicht so viel, dass es für eine CD gereicht hätte, da kam Herberts Angeschlagensein schon ein bisschen dazu. Die vier Stücke verteilen wir jetzt als Dankeschön an die Besucher des Konzerts. Es handelt sich um den Jazz-Standard „Every Time we say Goodbye“, den der der Romantiker Herbert unbedingt aufnehmen wollte, „Loney Woman“ von Ornette Coleman, den der freiheitsliebende Herbert ausgesucht hat, eine Ballade von mir und eine gemeinsame Komposition.

Das Konzert soll das Begräbnis finanzieren. Auch andere Jazz-Größen wie Albert Mangelsdorff und Charlie Mariano waren am Ende ihres Weges ziemlich mittellos. Ist es für Jazzmusiker so schwierig, ein Auskommen zu finden?

Diese Nachkriegs-Musikergeneration hatte keinerlei staatliche Absicherung und konnte nicht viel auf die Seite legen. Ständig unterwegs zu sein frisst unglaublich viel Geld, und so viel haben sie dann auch nicht verdient. Deshalb wurde ja die Künstlersozialkasse geschaffen, aber sie kam erst 1983 und für diese Generation zu spät. Heute ist das ganz anders, die Musiker denken schon während des Studiums darüber nach, wie sie später ihr Auskommen sichern.