Weihnachten ohne Paul Carrack ist für seine Fans wie Rentier Rudi ohne rote Nase: Bevor der Popstar in der Porsche-Arena singt, waren wir mit ihm im Christmas Garden der Wilhelma spazieren. Er hat uns viel Spannendes verraten.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Am Leuchtelefanten, unweit des Wilhelma-Eingangs, sind wir verabredet – mit einem Dino der Popgeschichte. Von 1985 bis 2005 war Paul Carrack, eine der schönsten Stimmen für gefühlvollen Swing, Rock und Pop, Lead-Sänger bei der legendärer Band Mike & the Mechanics. Als Keyboarder von Elton John spielte er 1997 auf der meistverkauften Single aller Zeiten, bei „Candle in the Wind“. Wie auf der Bühne trägt der 68-Jährige Hut im Winter Wonderland des Christmas Garden. Wir sind in Stuttgart, es ist Stau – der Brite kommt verspätet, aber umso freundlicher.

 

Wenn die Tage kürzer werden, wenn immer früher am Abend uns Finsternis umhüllt, wenn wir schnellen Schrittes Weihnachten entgegenhetzen, dann, ja, dann erwärmt sich die Menschenseele gern am Licht – und an Carracks Christmas-Songs.

„Beim Leuchtenlassen ist meine Frau nicht gerade zimperlich“

Der Sänger kommt aus dem Land, in dem der Christmas Garden erfunden wurde. Nach Londoner Vorbild haben die als Märchenlandschaften inszenierten Lichtinstallationen deutsche Städte erobert, etwa Berlin und Dresden, seit 2019 auch Stuttgart. Kennt Mister Swinging Christmas das Original in London? „Nein“, antwortet der 1951 in Sheffield geborene Songschreiber und lächelt so verschmitzt, wie er dies bei unserem kleinen Spaziergang noch öfter macht,, „ich bin mit einer Frau verheiratet, die ist beim Leuchtenlassen nicht gerade zimperlich.“ Vor ihrem Haus sorge die Liebste dafür, dass die Familie Carrack zum Weihnachtsfest – erwartet werden dazu vier Kinder und ein Dutzend Enkelkinder – ihren eigenen Christmas Garden mit voller Leuchtkraft hat.

In der Wilhelma haben die Lichtdesigner aber wohl noch etwas mehr aufgedreht als seine Gattin daheim. Der Sänger greift deshalb zum Smartphone und macht das, was fast alle im Christmas Garden tun: Klick!

Veranstalter rechnen mit Besucherplus von bis zu 15 Prozent

An kaum einem anderen Platz in Stuttgart trifft man so viele Handy-, Amateur- und Profi-Fotografen wie hier. Über einen noch größeren Besucherzustrom als vor einem Jahr freut sich Christian Doll, Mitveranstalter des Lichterspektakels, das die einen lieben, das andere als kitschig ablehnen. „Wenn der Zustrom so bleibt“, sagt er, „haben wir am Ende zehn bis 15 Prozent mehr Besucher als bei der Premiere.“ Schon vor einem Jahr seien die Erwartungen weit übertroffen worden. Diesmal gibt es deutlich mehr Tierinstallationen, die Lichter „bewegen“ sich mehr, man läuft durch einen Klangtunnel, es gibt mehr Musik, und um die erstrahlten Mammutbäumen wabert es nun dank künstlichen Nebels gespenstisch.

Die Pelikane, eine der wenigen Tiere, an denen man beim Rundgang vorbeikommt, können nicht gefragt werden, was sie vom nächtlichen Rummel halten. Aber es fällt auf, dass sich die Wasservögel genau an jener Stelle des Sees tummeln, wo die Menschen am Zaun stehen – nicht dort, wo keiner der Zweibeiner ist und sie alleine wären. Nicht nur an Pelikanen und Pinguinen kommen wir vorbei. Auch Rentier Rudolph, also den mit der roten Nase, passieren wir. Auf dem Boden erstrahlt er als Leuchtfigur. Für Paul Carrack hat Rudi eine besondere Bedeutung. Das Weihnachtslied über den Rote-Nasen-Außenseiter ist einer seiner Lieblingsstücke im Programm.

Seit 2006 spielt er Weihnachtskonzerte mit der SWR Big Band

Bestimmt wird Rudi an diesem Samstag nicht fehlen, wenn der 68-Jährige mit der SWR Big Band erstmals in der Porsche Arena auftritt (es gibt noch Karten), nicht wie sonst in der Liederhalle, die saniert wird (2020 geht’s dorthin zurück). Das Zusammenspiel mit dem für Grammys nominierten Stuttgarter Swingorchester, sagt Carrack, ist für ihn stets ein Höhepunkt des Jahres. „Es ist, wie man weiche Hausschuhe anzieht“, schwärmt er, „alles passt.“

2006 hatte ihn die SWR Big Band gefragt, ob er mit ihr Christmas-Songs in der Swing-Version spielen wolle. Zuvor hatte Carrack keine Weihnachtskonzerte gegeben. Weil dies hervorragend ankam, folgt Jahr für Jahr die Zugabe. Eine Tradition ist daraus geworden. Das Publikum freut sich stets aufs Neue auf ein großartiges Hörerlebnis.

Damit seine Stimme bei Eiseskälte im Christmas Garden nichts abbekommt, wickelt sich Carrack für den Rest unseres Spaziergangs einen dicken Schal um den Mund. Wir gehen ins Restaurant Amazonica. Der Zauber der Weihnachtslichter gefällt ihm, sagt er. Der Brite gehört zu denen, die zu Sentimentalitäten stehen. Für Gefühlswallungen sorgt er ja auch selbst bei seinen Konzerten.

Im Sommer 2020 kommt er mit Eric Clapton nach Stuttgart zurück

Über das höchst emotionale Brexit-Chaos redet Carrack nicht gern: „Man erträgt es nicht mehr.“ Auf die Bemerkung, die Deutschen seien gegen den Brexit, erwidert der Tierfreund, der mit seiner Frau Straßenhunde aufnimmt, lächelnd: „Manchmal hab’ ich den Eindruck, die Deutschen sind gegen Engländer.“

Kann nicht sein! Die Deutschen lieben es, wenn jemand wie Carrack Christmas rockt! Im Sommer 2020 kommt er wieder nach Stuttgart – dann als Sänger und Keyboarder mit Eric Clapton, einem weiteren Rock-Dino. An Weihnachten, sagt der 68-Jährige zum Abschied, werde er daheim nicht singen. Mister Swinging Christmas, ist okay, Sie haben sich Ruhe verdient!