Die neue Paulus-Gemeinde-Pfarrerin Sabine Löw aus dem Stuttgarter Westen spricht über ihre Aufgaben und „diesen genialen Jesus“.

S-West - Tausendmal war Sabine Löw (46) an diesem Merkpunkt auf ihrer „Rennstrecke“ zwischen Wohnung und S-Bahn-Station vorbei gehastet. Einmal aber blieb sie gebannt vor der Pauluskirche stehen: „Da wusste ich, hier Pfarrerin zu sein, das wär’s!“ Also hat sie ihren Hut in den Ring geworfen für den „Tag danach“, den Beginn des Ruhestandes von Pfarrer Kurt Wolff. Nun steht sie als dessen Nachfolgerin vor ihrem „Schätzle“, wie sie den Sakralbau auch wegen der expressiven Glasfenster nennt – und drinnen flutet die Sonne das Kirchenschiff mit Rot und Blau. Wie jüngst zur Investitur, was Löw ans Leitmotiv der Feier, einen Epheser-Spruch, gemahnt: „Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

 

Dieses Zusammenspiel zwischen Bibel-Wort, Licht-Metaphorik und der Raumwirkung „gebauter Theologie“ beflügelt die Pfarrerin: „Wir sind nur Gast auf Erden. Was aber erfüllt uns als Menschen? Worin sehen wir unsere Aufgabe, den Sinn unseres Lebens in dieser schmalen Spanne Zeit, in der wir in die Welt geworfen sind?“ Fragen, die sie als Pfarrerstochter von klein auf bewegt und mit „Herzensfrömmigkeit“ erfüllt hatten. Weil sie das alles aber „auch mit dem Verstand erfassen“ wollte, habe sie Theologie studiert. „Seelsorge und Verkündigung“ als Eckpfeiler ihrer Aufgabe: „Die Gottesdienste hier möchte ich so gestalten, dass die Menschen zu sich und zu dieser unendlichen Transzendenz finden, die auf etwas Höheres verweist.“

„Atelier“ statt „Arbeitszimmer“

Nicht der Herkunft aus einem protestantischen Pfarrhaus wegen sei sie Pfarrerin geworden, „sondern weil ich diesen Jesus so genial finde“. Eine Formulierung, wie direkt aus ihrer Zeit als Jugendpfarrerin in Tübingen. Auch sonst deutet im Gemeindebüro in der Vogelsangstraße wenig auf Routine hin. Als Löw mit ihrer Mitarbeiterin Termine „für eine Beerdigung und eine Taufe“ besprochen hat, geht es nicht ins „Amtszimmer“, sondern laut Schild im Türrahmen ins „Atelier“: „Ich brauche kein Trallala, keine Status- und Amtssymbole. Pfarrerin ist ein kreativer Beruf.“

Bilder sind für sie „Kraftfelder“, und Christus-Ikonen scheinen mit System im ganzen „Atelier“ verteilt zu sein: „So habe ich Blickkontakt, wann immer ich will“, erklärt Löw, „Jesus schaut dich an. Das ist wie ein Magnetfeld. Damit kannst du wie Petrus auf dem Wasser gehen.“ Oder mit der Franz-von-Assisi-Darstellung mit Blumen und Vögeln reden. Ein Papstbild ist nicht zu finden, wobei die Protestantin bekennt: „Seine Zuwendung zu den Bedürftigen, sein Ergriffensein und wie er dieses Amt lebt für die Armen, das ist vorbildlich.“

Im Grunde gehe es „immer darum, mit den Menschen zu sprechen, von Jesus in dieser Welt zu erzählen. Glaubhaft zu machen, dass die Frohe Botschaft trägt, dass man damit leben und sterben kann“. Womit auch klar ist: „Seelsorge ist kein Small-Talk. Aber ich mag, wenn es in die Tiefe geht. Als Pfarrerin ist man mit Freud und Leid der Menschen betraut, von der Wiege bis zur Bahre.“

Kinder beim Sterben begleitet

Kompetenzen dafür hat sie sich auch mit Zusatzausbildungen etwa für klinische Seelsorge oder geistliche Begleitung erworben. Sie hat auch in der Heimseelsorge gearbeitet und zuletzt, neben einer halben Pfarrstelle in Weilimdorf und der Redaktion des Periodikums „Für Arbeit und Beruf“, auch das Kircheneintritts-Telefon betreut: „Mit unendlich vielen, ernsten seelsorgerlichen Gesprächen.“ In Mössingen gab sie in Klassen mit schwerkranken Kindern Religionsunterricht: „Wenn in jedem Schuljahr sechs, sieben Kinder sterben“, sagt sie, „dann weißt du, was wichtig ist und was nicht.“

„Sehr bewusst“ habe sie sich beim Unterrichtsdeputat im Westen erneut für die Förderschule entschieden: „Für Kinder, die nicht zu den Privilegierten der Gesellschaft gehören“, betont sie. „Raus aus dem kirchlichen Biotop“ zu kommen, sei ihr wichtig. Eine „kinderfreundliche Kirche zu sein, mit konkreten Angeboten für Familien“, sei im „jungen, kinderreichen Westen“, in dem sie selbst seit längerem mit ihrer Familie lebt, besonders geboten. „Sehr beschäftigt“ sei sie bereits mit der Ende kommenden Jahres anstehenden Fusion der drei Kirchengemeinden Paulus, Johannes und Paul Gerhardt. Und offen ist die Frage, ob man eine neue Orgel brauche. Angesichts der sphärischen Wirkung des Lichts fasst sie ihr Streben als Pfarrerin in dieses Bild: „Menschen wachküssen, damit etwas entsteht in der Gegenwärtigkeit dieses genialen Jesus.“