War es ein politischer Sabotageakt oder einfach ein dummer Schreibfehler? Die SPD im nordrhein-westfälischen Mülheim hat sich mit einer Trauerschleife zum Volkstrauertag blamiert.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Mülheim an der Ruhr - Die SPD-Ratsfraktion im nordrhein-westfälischen Mülheim an der Ruhr fühlt sich durch einen peinlichen Rechtschreibfehler auf einer von ihr in Auftrag gegebenen Trauerschleife brüskiert.

 

Am Samstag (16. November) war bei einer Kranzniederlegung zum Volkstrauertag im Stadtteil Mülheim-Dümpten aufgefallen, dass die Beschriftung auf der Trauerschleife der Fraktion lautete: „Den Opfern von Krieg und Verschissmuss“ statt „Den Opfern von Krieg und Faschismus“, wie ein Sprecher des SPD-Unterbezirks und der Ratsfraktion bestätigte.

„Den Opfern von Krieg und Verschissmuss“

Die SPD gehe nun mit einem Rechtsbeistand dem Verdacht nach, ob es sich um einen gezielten Sabotageakt handele, sagte Rodion Bakum, Mitglied im SPD-Fraktionsvorstand. Zuerst hatten die „Rheinische Post“ und „WAZ“ über diesen Vorfall berichtet.

Das Thema wurde auch in den sozialen Medien hochgekocht:

SPD schaltet Anwalt ein – Verwechslung von „F“ und „V“?

Die SPD-Fraktion entschuldigte sich auf ihrer Facebook-Seite offiziell für den Vorfall – „ungeachtet der möglichen Ursachen“ .

SPD-Sprecher Bakum geht davon aus, dass es sich nicht um ein einfaches Versehen handeln könne. Er vermutet eher, dass dem Ansehen der SPD bewusst geschadet werden sollte. Der Text auf der Trauerschleife der SPD-Ratsfraktion sei jedes Jahr derselbe und vom Fraktionsbüro an die zuständige Gärtnerei in korrekter Schreibweise übermittelt worden. Diese habe in diesem Jahr allerdings erstmals eine neue Schleifendruckerei in Essen beauftragt.

Nun werde geprüft, ob der Fehler dort entstanden und womöglich bewusst herbeigeführt worden sei. In der Druckerei habe man zwar eine Verwechslung der Anfangsbuchstaben „F“ und „V“ eingeräumt, weil das Bestellungsfax unleserlich gewesen sei. „Das erklärt aber noch nicht, wie das gesamte Wort so stark abgeändert werden konnte“, sagte Bakum weiter.

Zweimaliges Doppel-s: „Das kommt ja nicht von ungefähr“

Auch SPD-Ratsherr André Kasberger, der bei der Kranzniederlegung dabei war, wunderte sich nach eigenen Angaben über das neugebildete Wort „Verschissmuss“ – und schnitt es kurzerhand mit dem unteren Teil der Schleife ab. „Das kommt ja nicht von ungefähr“, sagte er. „Zumal man auch in Verwendung von zweimaligem Doppel-s durchaus etwas hineindeuten kann.“

Möglicher Hinweis auf „SS“?

Möglicherweise könnte es sich hier um einen Hinweis auf die nationalsozialistische Herrschaftsorganisation „Schutzstaffel“ handeln, die das Kürzel „SS“ trug. Im Prozess gegen die NS-Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg von November 1945 bis Oktober 1946 wurde sie als „verbrecherische Organisation“ eingestuft. Die „SS“ war maßgeblich an der Planung und Durchführung von Kriegsverbrechen und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie dem Holocaust beteiligt (Anm. d. Red.).

Volkstrauertag: Erinnerung an Kriegstote und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen

Der Volkstrauertag wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen – als Erinnerung an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltbereitschaft und Gewaltherrschaft aller Nationen. Das wiederkehrende Gedenken an die „Opfer von Krieg und Faschismus“ geht zurück auf den „Tag der Opfer des Faschismus“, den die vier Besatzungsmächte im September 1945 erstmals begangen hatten.

1952 führte die Bundesrepublik Deutschland den Volkstrauertag offiziell ein, nachdem es ihn bereits seit 1922 in der Weimarer Republik als Gedenken an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs gegeben hatte. Wie schon nach 1918 setzte sich der Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge auch nach 1945 dafür ein, dass die Toten der Weltkriege einen nationalen Gedenktag bekämen.

Totengedenken des Bundespräsidenten

Seit 1950 findet im Bundestag die zentrale Feierstunde statt, in der der Bundespräsident das sogenannte Totengedenken spricht: „Wir denken heute an die Opfer von Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.“

Allein in Hessen ist dieser Tag ausdrücklich ein „Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und die Toten beider Weltkriege“. Vertreter aller Verfassungsorgane legen in der Neuen Wache in Berlin, der zentralen Gedenkstätte Deutschlands für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Kränze nieder – genauso wie es in vielen anderen Städten und Gemeinden Politiker und Bürger an Mahnmalen tun.