Hysterische Nonnen, Exorzismus, Scheiterhaufen: Krzysztof Pendereckis Musiktheater von 1969 bietet drastische Szenen und Klänge im Übermaß. Vor allem die Musik ist eine Wiederentdeckung wert.

Dem Teufel ist nicht zu glauben – auch wenn er die Wahrheit spricht. Singt der Vikar von Chinon, und darum geht es tatsächlich in dieser schrecklich bunten Oper: dass in einem totalitären System alles ganz schnell anders sein kann. Dass es dort keine Maßstäbe gibt für Moral, Gesetz, Politik. Eine erotisch getriebene Nonne, die sich selbst für besessen erklärt, ein geistlicher Don Juan, der auf wunderliche Weise zum Märtyrer wird, Machtkämpfe zwischen Kirche und Staat, Hexensabbat im Nonnenkloster, Exorzismus, Folter, ein Schauprozess, Massenszenen: 1952 hat Aldous Huxley einen historischen Roman über das geschrieben, was sich 1634 in der französischen Kleinstadt Loudun zutrug. John Whiting hat ein Schauspiel daraus gemacht, das Erich Fried ins Deutsche übersetzte. In dieser Form ist die Geschichte auf Krzysztof Penderecki gekommen, der – auch mit Blick auf Stalins sogenannte Säuberungsprozesse in der Sowjetunion und auf die McCarthy-Zeit in den USA – sofort entflammt war von den Figuren, vom gesellschaftlichen Hintergrund des Stücks, von seiner Botschaft der Toleranz. Und von seiner Montagetechnik, denn sie bot dem polnischen Komponisten Gelegenheit, mit unterschiedlichsten Farben, Atmosphären und Stilanklängen zu arbeiten – von gregorianischen Kirchengesängen bis zum markanten E-Bass und zu geballten, weitgefächerten Clusterklängen. Penderecki registriert das groß besetzte Orchester wie eine Orgel, und überhaupt gehört die flirrend-flächige, wirkungsvolle Musik der Kollektive zum Schönsten und Wirkungsvollsten in diesem klangfarblich oszillierenden Stück, das 1969 nur zwei Tage nach seiner Uraufführung auch an der Stuttgarter Oper Premiere hatte (für die Inszenierung sorgte Günther Rennert).