Die Absicht von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), EU-Ausländer in der Bundeswehr einzustellen, befindet sich in der Endlos-Prüfung. Der mangelnde Fortschritt hat viel mit dem Widerstand von Amtskollegen vor allem in Osteuropa zu tun.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Seitdem Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Mitte 2016 ihr Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr vorgestellt hat, erwägt die Truppe eine Öffnung für EU-Ausländer. Ziel ist die Linderung des Fachkräftemangels. Schon unter dem Vorvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war die Idee im Jahr 2011 abgewogen worden. Nun wird das Vorhaben von Generalinspekteur Eberhard Zorn erneuert: Die Anwerbung von EU-Bürgern für spezielle Tätigkeiten sei „eine Option“, sagte er.

 

Die Prüfung scheint somit kein Ende zu nehmen. Dies mag zunächst mit dem Widerstand in allen Parteien und der Furcht vor einer „Söldnerarmee“ zu tun haben. Vor allem aber sperren sich fremde Regierungen gegen die Bemühungen der Bundeswehr, aus deren Armeen hoch qualifizierte Kräfte wie Ärzte oder IT-Fachleute abzuziehen. Offenbar haben die meisten EU-Partner insbesondere in Osteuropa schon skeptisch auf das Anliegen reagiert. So zeigten sich die Bulgaren besorgt wegen möglicher Abwerbungen. Aber auch der tschechische Verteidigungsminister hat Informationen unserer Zeitung zufolge seine Bedenken einem hochrangigen Vertreter von der Leyens schon vorgetragen.

Flammender Appell für eine „Armee der Europäer“

Es werde nicht darum gehen, in Massen Menschen aus anderen Ländern anzuwerben, heißt es in Regierungskreisen. Die östlichen Nachbarn hätten die Sorge, „dass ihnen die Soldaten davon laufen“, weil das Gefälle der Dienstbezüge zu groß wäre. Vielmehr werde es um die gut integrierten Ausländer gehen, die seit Jahren hier leben und gut deutsch sprechen, weil sie möglichst hier zur Schule gegangen sind und eventuell ihre Ausbildung in Deutschland gemacht haben. Im Visier hat man demnach die mehr als 500 000 in Deutschland lebenden EU-Bürger im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, in denen die Bundeswehr ein gutes Rekrutierungspotenzial sieht.

Gerade erst hatte die Verteidigungsministerin im Verbandsmagazin „Die Bundeswehr“ einen flammenden Appell veröffentlicht, Schritt für Schritt eine „Armee der Europäer“ aufzubauen – mit „Streitkräften in nationaler Verantwortung, eng verzahnt, einheitlich ausgerüstet, für gemeinsame Operationen trainiert und einsatzbereit“. Die nationalen Parlamente müssten „künftig multinationaler denken und an Tempo zulegen“, schreibt von der Leyen. Zu viel Europa stößt in diversen EU-Mitgliedsstaaten jedoch auf Vorbehalte.

Muss das Soldatengesetz geändert werden?

Ein weitere Hürde könnte das deutsche Soldatengesetz aufbauen. Laut Paragraf 37 darf in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit nur berufen werden, wer Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist und die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne der Verfassung eintritt. Das Verteidigungsministerium kann in Einzelfällen aber Ausnahmen vom ersten Absatz zulassen, „wenn dafür ein dienstliches Bedürfnis besteht“. Diese Ausnahmeklausel ist bisher kaum genutzt worden.

Würde die Bundeswehr nun ungefähr 2000 bis 3000 Spezialisten aus dem EU-Ausland einstellen, so könnten sie nach der Rechtsauffassung von Experten noch als Einzelfälle gelten – eine aufwendige Gesetzesänderung wäre damit womöglich nicht nötig.

„Problem der Personalgewinnung nicht abwälzen“

Die französische Armee mit ihren Fremdenlegionären ist für die Bundeswehr jedenfalls kein gutes Vorbild. Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter sieht daher eher die Notwendigkeit, die Bundeswehr für deutsche weibliche wie männliche Staatsbürger attraktiver zu machen. Dabei gebe es durchaus Möglichkeiten, wie etwa die Anrechnung von ,Credit Points’ auf das Studium oder die Finanzierung des Führerscheins, schlägt der Aalener Abgeordnete vor. „Die Bundeswehr für EU-Ausländer zu öffnen, würde hingegen das Problem der Personalgewinnung abwälzen, ohne dabei die staatsbürgerliche Identifikation als traditionelles Wesensmerkmal der Bundeswehr aufrechterhalten zu können.“

Eher schon sollte angesichts der verteidigungspolitischen Integration auf EU-Ebene über ein Europajahr in vielfältigen (auch zivilen) Aufgabenfeldern nachgedacht werden, um der EU-Ebene in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik mehr Gewicht zu verleihen – etwa über einen „Europäischen Freiwilligendienst“ im Grenzschutz. „Darauf aufbauend wären auch eine europäische Freiwilligenlegion sowie Weißhelme denkbar, die von der EU in der Krisenvor- und Nachsorge rasch einsetzbar sind“, regt Kiesewetter an.

Der Dreißigjährige Krieg habe gezeigt, dass Söldnerheere rasch die Fronten wechseln, sagt ein anderer Fachpolitiker der Union. Darum bleibe der vom preußischen Militärreformer Gerhard von Scharnhorst formulierte Grundsatz der Befreiungskriege „Jeder Bürger ist der geborene Verteidiger seines Vaterlandes“ weiterhin gültig.