Die Bundeswehr trainiert 32 Peschmerga-Kämpfer im Umgang mit der Panzerabwehrwaffe Milan. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigt sich angetan von der Entschlossenheit der Kurden und verspricht noch mehr militärische Hilfe

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Hammelburg - Bis vor Kurzem wussten viele deutsche Soldaten nicht einmal, wer die Peschmerga sind. Nun führen die „kurdischen Kameraden“, wie Brigadegeneral Gert-Johannes Hagemann sie nennt, einen Abwehrkampf gegen den gemeinsamen Feind, die Terrorgruppe des Islamischen Staates (IS). Dazu leiste die Bundeswehr einen „wichtigen Baustein“. Gemeint ist die Ausbildung von 32 Peschmerga-Kämpfern an der Panzerabwehrwaffe Milan in der bayerischen Infanterieschule Hammelburg, deren Chef Hagemann ist.

 

Eine Woche lang wurden die Kurden geschult, damit sie ihr Wissen an Mitstreiter weitergeben. „Das reicht völlig aus“, sagt ein Milan-erfahrener deutscher Leutnant. Die Handhabung sei „äußerst einfach“. Zudem täten sich die kriegserfahrenen Peschmerga ohnehin leicht damit. Die panzerbrechende Waffe wurde schon in den siebziger Jahren in der Bundeswehr eingeführt – ein robustes Gerät also, wenngleich der mit Elektronik versehene Gefechtskopf seither mehrfach modernisiert wurde. Bis auf eine Reichweite von 1950 Meter könne man damit alle älteren Panzer, wie sie auch der IS im Nordirak einsetzt, durchbohren, schildert der Leutnant – dank Wärmebildkamera sogar nachts. Fast zwei Kilometer Abstand zum Feind seien für einen Infanteristen „verdammt viel“. Damit ließe sich ein ganzes Tal unter Kontrolle halten, wenn man das 28 Kilogramm schwere Waffensystem erst auf einen Hügel geschleppt habe. In Afghanistan hat die Bundeswehr mit der Milan zudem meterdicke Lehmwände von Taliban-Verschlägen durchdrungen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen interessiert sich wenig für technische Details. Ihr geht es darum, Signale zu setzen. Die Peschmerga seien „hervorragend organisiert, hochmotiviert und entschlossen“ im Kampf gegen den „hervorragend finanzierten“ und mit modernen Waffen „hochgerüsteten IS“, sagt sie, nachdem sie einige Minuten bei der Milan-Ausbildung zugeschaut hat. Diese Schulung sei erst der Anfang. „Wir werden die Zusammenarbeit mit Sicherheit intensivieren.“

Eine Inszenierung wie so viele andere

Zu viel Selbstinszenierung wird der CDU-Politikerin vorgeworfen – selbst vom Koalitionspartner SPD. Auch die Umfragewerte fallen: Sie genießt so wenig Vertrauen wie nie zuvor. Prompt liefert die „Foto-Uschi“, so der Spott politischer Gegner, auf dem fränkischen Truppenübungsplatz neue Bilder vor malerischer Obstbaumkulisse. Von der Leyen kümmert sich, soll die Botschaft lauten. Hat sie also die Kritik nicht verstanden? Ganz so ist es nicht, denn dass Verteidigungsminister im Kreis der Truppe viele günstige Fotomotive bieten, kann man von der Leyen nicht vorwerfen – zumal sie in Hammelburg nur lächelnd daneben steht und mit dem kurdischen Anführer redet, statt selbst Hand anzulegen. Inmitten der martialisch erscheinenden Männer mit geschwärzten Gesichtern und dunklen Brillen, die die Milan immer neu nach Stoppuhr auf- und abbauen, wirkt die zierliche Ministerin im hellen Businessdress wie ein Fremdkörper.

Die Peschmerga kümmert das nicht, sie sind dankbar für ihre Hilfe; die Lage in der Heimat sei kritisch, sagt ein kurdischer Major. Manchmal trenne nur eine Brücke oder eine Straße seine Männer von den Angreifern. Als besonders zielstrebig und grausam schildert er die aus Europa eingereisten IS-Kämpfer. Daher wünscht sich der Kontingentführer „noch viel mehr Hilfe“ und „natürlich moderne Schusswaffen“, um gegen den IS zu bestehen. Dabei denkt er wohl auch an Scharfschützengewehre. Von der Leyen sagt, dass jeweils eine kurdische Einheit komplett ausgerüstet werde – von Helmen über Handwaffen bis zu geschützten Fahrzeugen. „Diesen Weg werden wir weitergehen.“ Jedoch müsse die Handhabung rasch erlernbar sein – „denn der Kampf gegen den IS findet jetzt statt“.

Ersatzteilbeschaffung wird hochgefahren

Von ihren derzeit noch gewichtigeren Sorgen bleibt die Ministerin in Hammelburg nicht verschont: Auf die schon desaströsen Ausfälle des Fluggeräts angesprochen, schiebt sie die Schuld aber an die Industrie und ihre Vorgänger weiter. Weil die Bundeswehr wegen der verspäteten Lieferung neuer Flugzeuge länger mit dem alten Material fliegen müsse, „sieht man nun, dass Bevorratung und Produktion von Ersatzteilen in den letzten Jahren fälschlicherweise gedrosselt worden sind“, rügt sie. „Die werde ich wieder hochfahren.“ Sie sei sich völlig im Klaren darüber: „Das sind Herausforderungen, die sich nur in der mittleren und langen Frist lösen lassen.“ 2015 komme sie mit dem bewilligten Etat aus, doch werde eine „bessere Materiallage“ Geld kosten – und „darüber müssen wir reden“, verkündet von der Leyen, bevor sie in den Helikopter Super-Puma 82-01 der Luftwaffe steigt, der sie ohne technische Probleme wieder nach Berlin fliegt.