Computer rücken uns mehr oder weniger unauffällig auf den Pelz.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

1997 organisierte Alexander Pentland am Massachusetts Institute of Technology (MIT) die erste „Wearable Computing“-Modenschau – Computer zum Anziehen. Techniker und junge Designer versuchten damals noch mit Witz und radikalem Chic die Unförmigkeit der Gerätschaft zu überspielen. Die digitale Revolution jedenfalls war unübersehbar in der Fashion-Welt angekommen.

Heute hat die Miniaturisierung so atemberaubende Fortschritte gemacht, dass sie gelegentlich gestoppt werden muss, damit bestimmte Geräte, wie etwa Smartphones nicht unbedienbar werden. Winzige Computer rücken uns unauffällig auf den Pelz. Sie verkriechen sich in Funktionskleidung, die aber nicht einfach nur Plätze für Smartphone und iPod reserviert hat. Der kanadische Professor Steve Mann etwa, einer der Pioniere des „Wearcomp“, trägt schon lange beheizbare Unterwäsche, die auf die Außentemperatur reagiert, und eine von ihm selbst erfundene „Vibraweste“, die einem das Gefühl gibt, entfernte Dinge direkt an seinem Körper zu spüren.

Schmusejacken und Elektrotextilien

Man kann sich inzwischen auch schon von Kleidungsstücken herzen lassen. Die New Yorker Mediendesignerin Melissa Kit Chow hat eine Social-Media-Jacke entwickelt, die einen „umarmt“, wenn jemand aus der eigenen Facebook-Timeline „Gefällt mir“ anklickt. Die Jacke bläst sich dann segmentweise auf und „drückt“ ihren Träger.

Die digitale Technik dringt in Kleider, Schuhe und Schmuck vor. Ringe mit elektronischem Innenleben leuchten farbig auf, je nachdem, von wem man gerade angerufen wird. Das indische Startup Ducere Technologies bringt gerade einen Smartshoe auf den Markt, der sich via Smartphone mit Google Maps synchronisieren läßt und einen durch Vibrationen an unterschiedlichen Stellen im Schuh an jedes gewünschte Ziel navigieren soll. Einen Schritt weiter gehen die sogenannten Elektrotextilien. Diese Gewebe sind selbst mikroelektrisch leitfähig. An den Kreuzungspunkten können die Fäden erkennen, ob sie berührt oder wie stark sie gedrückt wurden. Damit denkbar werden Dinge wie eine in den Shawl eingewobene Tastatur oder ein Mobiltelefon in der Krawatte.

Modelaunenmächtige Maschinen

„Intelligente“ Bekleidung kann auch Wege aus dem Modedilemma weisen („Was soll ich anziehen?“). Kleider mit integrierten Funkchips etwa können sich daran erinnern, was man an welchem Tag und zu welcher Zeit getragen hat – eine App kann dann Empfehlungen für Unentschlossene geben. Die Informatikerinnen Sea Ling und Maria Indrawan von der Monash University in Melbourne haben eine solche Software geschrieben. Nach einer Lernphase erteilt sie tatsächlich maßgeschneiderte Bekleidungsratschläge, passend zu Tages- und Jahreszeit.

Das Problem der launischen Moden wird sich in dem Augenblick erübrigen, in dem man sich mit Lichtgeschwindigkeit umziehen kann. Dies werden in nicht allzu ferner Zukunft strukturell und farblich „umschaltbare“ Gewebe ermöglichen. Vielleicht wird dann nur noch eine Handvoll ultraflexibler Stoffe übrigbleiben, die sich in jedes andere Material verwandeln können. Zu heiß? Maschen größer ziehen. Einen Flirt forcieren? Stellen Sie Ihr Kleid auf Königsrot – App antippen, fertig. Die Zeit der Kleiderschränke ist dann vorbei.

Heute gibt es im Netz bereits große Marktplätze für dreidimensionale Objekte, die man sich auf einem 3D-Drucker nach eigenen Wünschen ausdrucken lassen kann. Kleider - oder auch nur Details eines Schnitts, Texturen oder Farben - lädt man möglicherweise auch bald aus Design-Datenbänken, in denen die gesamte Entwurfspalette menschlichen Modeschaffens zur Verfügung steht, in seine persönliche Anzieh-App.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: