3D-Drucken hat sich zum Lieblingsspielzeug einer modernen Bastlerbewegung entwickelt. Manche sehen eine neue industrielle Revolution heraufziehen.

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Im Jahr 2007 brachte eine Maschine im Anthropologischen Institut der Universität Zürich einen Neandertaler zur Welt. Es dauerte einen knappen Tag, bis der Schädel des Homo neanderthalensis-Neugeborenen da war – aus dem 3D-Drucker. In einer langen Puzzlearbeit hatten Prof. Christoph Zollikofer und Dr. Marcia Ponce de León aus Computertomografien von Beckenknochen einer Neandertalerin sowie Skelettfragmenten eines Neandertaler-Neugeborenen den Geburtsvorgang dieses frühen Verwandten des Menschen digital nachgeschaffen und damit neue Erkenntnisse über dessen Leben gewonnen. Zollikofers Institut verfügt über einen knapp 40.000 Euro teuren 3D-Drucker. Bis vor einigen Jahren lagen die Preise für 3D-Scanner, Konstruktionssoftware und 3D-Drucker zum Teil noch im sechsstelligen Bereich. Inzwischen gibt es Selbstbausätze schon für unter 600 Euro – 3D-Druck boomt. Eine neue Do-it-Yourself-Bewegung macht sich diesen Preisrutsch zunutze und versucht, in Konkurrenz zur Industrieproduktion zu treten: die sogenannten „Maker“ sind der Meinung, dass jeder eine solche kleine Fabrik zu Hause haben sollte. Genialische Tüftler gibt es seit Jahrhunderten, von Archimedes über Leonardo bis Edison. Zur Massenbewegung wurde das Basteln durch Techniken wie Radio, Amateurfunk und Modellbau. In der Nachkriegszeit hieß es „Selbst ist der Mann“ und man las „Hobby - das Magazin der Technik“. Als die Computerrevolution begann, hatte das Bastlertum bereits seine zugehörige Erscheinungsform gefunden: den Hacker, ein Lebewesen mit einem Gaslötkolben im Jackett und ungezügelter Programmier- und Experimentierfreude. Mit dem Internet breitete sich die praxisvergnügte Gesinnung um den ganzen Planeten aus. Startups, die 3D-Drucker und computergesteuerte Fräsen produzieren, schossen aus dem Boden. Die Community präsentiert sich auf „Maker Fairs“ - Messen, die inzwischen teils weit über 100.000 Besucher anlocken. Wunschbild ist eine Welt, in der Waren unabhängig von Konzernen erzeugt werden – ähnlich wie man heute in Blogs und sozialen Netzen ohne die Hilfe von Verlagen publizieren kann (sich dabei aber in die Abhängigkeit neuer Player wie Google oder Facebook begibt). Die Verheißung lautet: Die Masse erobert sich die Produktionsmittel zurück, Designer können ihre Produkte selbst vermarkten und Kleinserien sollen zu einer Blüte von Nischenmärkten führen. Derzeit können die billigen Geräte nur kleine Objekte aus Kunststoff herstellen. Die Berliner Physikerin Marlene Vogel, Mitgründerin des 3D-Marktplatzes trinckle kann sich aber gut vorstellen, dass 3D-Drucker schon bald nicht mehr nur dumme Dinge hervorbringen. Es gibt bereits eine leitfähige Silbertinte, die in ein gedrucktes Objekt mit eingebracht werden kann. Mit ihr lassen sich auch gedruckte Schaltkreise produzieren. Zwar ist das selbstgefertigte Smartphone noch in weiter Ferne, aber Dinge wie ein Wecker wären damit schon machbar. Es wird sozusagen Zeit.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: