Immer intensiver versuchen Menschen, Maschinen zu werden. Bereitet die Natur den nächsten Evolutionsschritt vor?

 

Stuttgart - Hier geht es in Zukunft um die Zukunft. Das StZ-Hausorakel Peter Glaser befragt einmal die Woche die Kristallkugel nach dem, was morgen oder übermorgen sein wird – und manchmal auch nach der Zukunft von gestern. Dazu als Bonus: der Tweet der Woche!

 

Das Repetieren überlassen wir ihm: Wiederholungen, so scheint es jedenfalls auf den ersten Blick, sind die eigentliche Domäne des Computers. Aber der Mensch holt auf. Der 37-jährige Taiwanese Hsu Tai-yang verbrachte in der Stadt Tamsui nahe Taipei drei Monate am Stück in einem Internet-Cafe und erlitt dann durch eine Kombination aus Erschöpfung, Schlafmangel, Zigarettenqualm und Instant-Nudelsuppe einen Zusammenbruch. Der Inhaber des Internet-Cafes über den Mann: „Er wollte nicht nach Hause gehen.”

Schon davor gab ähnliche Meldungen. Ein 38-jähriger gewohnheitsmäßiger Computerspieler war, nachdem er in einem Internet-Cafe im südkoreanischen Ort Incheon westlich von Seoul zehn Tage und Nächte hindurch ununterbrochen gespielt hatte, tot vor dem Rechner zusammengebrochen. Ebenfalls in Südkorea war im August ein Spielsüchtiger in der Stadt Taegu nach einer 48 Stunden andauernden Online-Partie zu Tode gekommen.

Ist es verrückt, wenn Menschen sich in Maschinen verwandeln wollen?

Was fängt da an? Ein Tier würde sich einer solchen extremen Art der Monotonie niemals ohne Zwang aussetzen. Gefangene Tiere werden krank, wenn ihnen nur monotone Reize geboten werden. Deprivation nennen Fachleute das Phänomen beim Menschen. Es ist unter anderem als eine Folge von Folter bekannt. Ist es einfach nur verrückt, wenn Menschen sich freiwillig in Maschinen zu verwandeln versuchen, immer gleiche kurze Blicke und Tastendrücke repetieren, um am Ende vielleicht die Maschine an Maschinenhaftigkeit zu übertreffen?

Kulturpessimismus führt hier aber in die Irre. „Ich möchte gern eine Maschine sein”, wünschte sich Andy Warhol schon in den sechziger Jahren, und bereits damals klang es so, als könne das etwas Exklusives und Interessantes sein. Zur selben Zeit waren eine Handvoll Männer gerade dabei, sich unter den Blicken der westlichen Welt in Maschinen zu verwandeln: die ersten amerikanischen Astronauten. Für die Flüge in die extrem lebensfeindliche Umgebung der Erde trainierten sie sich fast alles ab, was einen lebenden Organismus ausmacht.

Übt die Natur schon die Entwicklung eines neuen Menschen?

Die Wiederholung ist ein seltsames, polares Gut. Auf der einen Seite empfindet der Mensch sie als nervtötendes Gegenteil des Neuen, andererseits aber als ein avantgardistisches Mittel seiner Anpassungsfähigkeit. Manchmal erschrickt man dann doch: Ein Kind leidet an einer Chlorophyll-Allergie. Kein Gras, keine Blumen im Frühling, keine Kastanienstachelhüllen im Herbst. Übt die Natur schon die Entwicklung eines Menschen, dessen bevorzugte Umgebung superstädtisch ist?

Wie sich stereotypes Wiederholen in einen Charakterzug verwandeln kann, belegt Bill Gates. Gates wippt gern vor und zurück, die Arme auf seinem Schoß gekreuzt. Schon als Kind schaukelte er sich in der Wiege selbst. Die Verhaltensweise wurde bei Microsoft oft nachgemacht. Manche Sitzungen erinnerten an eine Versammlung lobpreisender Rabbis. Nur wenn ihn ein Thema besonders in Anspruch nahm, hörte Gates plötzlich auf zu wippen und lauschte.

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Und hier noch wie immer der Tweet der Woche: