Netzkultur:
Das Internet macht immer mehr Tätigkeiten mobil. Und es mobilisiert auch ganz neue Arten von Zusammenarbeit.

Stuttgart - Bis zum Beginn der Industrialisierung machten sich Gesellen nach dem Ende ihrer Lehrzeit auf die Wanderschaft, um neue Arbeitsmethoden und andere Länder kennenzulernen und Lebenserfahrung zu sammeln, sozusagen Globalisierung zu Fuß. Noch immer sieht man manchmal junge Zimmerleute in ihrer schwarzen Tracht am Straßenrand auf der Walz. Aber heute im digitalen Zeitalter nimmt das Wandern neue Formen an. Man geht, etwas zugespitzt gesagt, nicht mehr zur Arbeit und kommt erledigt nach Hause, sondern die Arbeit kommt per Mail und fährt erledigt in die Firma zurück.

 

Nomaden – arabisch für „Die keine Wege brauchen“ – stehen für die zeitgemäße Weise, sich durch die Welt zu bewegen. Die neuen Nomaden wissen genau, wo am Flughafen von Anchorage die Steckdosen sind, um ihren Laptop nach einem Transkontinentalflug wieder aufzuladen. Ob iPhone, Tablet, E-Book-Reader oder Gadgets mit Googles Mobil-Betriebssystem Android: die Zukunft der Computerei ist handlich und transportabel. Und mit der Cloud, der großen, dienstbaren Datenwolke, stehen nun jedem riesige Datenkraftwerke zur Verfügung, aus denen sich Rechenleistung nach Belieben abrufen lässt, regelbar wie an einem Wasserhahn.

Das Internet selbst wurde ursprünglich für die Zusammenarbeit (von Wissenschaftlerteams) entwickelt. Kollaboration und Teamwork stecken also bereits in seinen Genen. Immer mehr Dienste und Werkzeuge kommen einer mobilen und flexiblen Art von Arbeit entgegen, die man Arbyte nennen könnte. Eines der bemerkenswertesten Werkzeuge sind Wikis. Berühmt geworden sind sie durch die Wikipedia. Ein Wiki ist ein Diskussionsmedium, eine Fundgrube und ein Werkzeug zur Zusammenarbeit. So etwas wie eine Schnapsbrennerei für verschärftes Wissen. Aus Infotrauben, die von verschiedenen Orten und Pflückern zusammengetragen werden, entsteht in einem Wiki im Lauf der Zeit ein immer weiter konzentriertes, immer klareres Destillat.

Heute gibt es Wikis für alles und jedes. Sogar der Vatikan nutzt die Wikipedia, um Kurzbiografien von Kardinälen zusammenzufassen. Viele Unternehmen setzen inzwischen als Gemeinschaftswerkzeug nur noch Wikis ein. Zu ihnen zählen Kaliber wie Amazon, Microsoft, Intel, Adobe – und auch die amerikanischen Nachrichtendienste. Thomas Fingar, vormals Vorsitzender des National Intelligence Council, eines Strategiezentrums, schwärmt von der eigens für die Geheimdienst-Community entwickelten „Intellipedia“, einem Wiki, das auf Klarnamen Wert legt. „Es ist eine Art Wikipedia für geheime Netzwerke“, erläutert Fingar. „Nicht anonym. Wir möchten, dass sich die Leute eine Reputation aufbauen. Wenn jemand wirklich gut ist, möchten wir, dass die anderen im Netz wissen, dass er wirklich gut ist. Wenn jemand etwas beiträgt, soll man das wahrnehmen können. Und wenn jemand ein Idiot ist, wollen wir, dass man das auch mitkriegt.“