Wenn Kühe bockig oder gar aggressiv werden, kann das an ihrem Sichtfeld liegen. Vieles nehmen sie anders wahr als der Mensch. Mit einem Kuhaugensimulator können Viehzüchter ihren Rindern Stress ersparen. Ein Minister hat es sich angeschaut. Und durchgeschaut.

Aulendorf - Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk versteht die Ängste von Kühen seit Dienstag besser denn jeh. „Sie können Entfernungen nicht so abschätzen wie wir, sie haben einen Tunnelblick, erkennen kein Gefälle und haben ganz andere Perspektiven“, sagte der CDU-Politiker nach einem Selbsttest mit einem neuen Kuhaugensimulator im Landwirtschaftlichen Zentrum (LAZBW) in Aulendorf (Landkreis Ravensburg). Zwei dieser High-Tech-Geräte zum Preis von jeweils rund 25 000 Euro sollen in Baden-Württemberg künftig unter anderem bei der Ausbildung von Viehzüchtern verwendet werden.

 

„Wir wollen damit aber auch Architekten schulen, die Ställe und Melkanlagen entwerfen“, erläuterte LAZBW-Direktor Franz Schweizer. „Das soll helfen, die Reaktionen von Kühen besser zu verstehen und Hindernisse, die nur sie wahrnehmen, möglichst von Anfang an zu vermeiden. Allgemein gesagt: Wir können das Tierwohl mit Hilfe der Simulatoren verbessern.“

„Bleibender Eindruck“

Die Kuhaugensimulatoren erinnern an Gaming-Brillen. Im Selbstversuch tappte Hauk mit unsicheren Schritten die Rampe zu einem Viehtransporter hinauf. Eine Steigung, wie sie täglich tausendfach von Kühen bewältigt werden muss. Für Beobachter wurde die „Brillensicht“ auf einen Monitor übertragen: unscharfe Ränder, teils Tunnel-, teils Seitensicht bis weit nach hinten, Höhen und Gefälle werden kaum erkannt, die Perspektiven erscheinen verschoben. 

„Wenn man sich erstmal an die Kuhsicht gewöhnt hat, versteht man viel eher, wie die tickt“, sagt Hauk. Angst und auch Bockigkeit von Kühen bei Hindernissen in Ställen, auf Rampen oder Melkanlagen werden mit Hilfe des Simulators für Zweibeiner nacherlebbar. Sie würden plötzlich begreifen, warum Kühe in für Menschen anscheinend harmlosen Situationen Stress empfinden, erklärt Schweizer. „Natürlich gewinnen Landwirte im jahrelangen Umgang mit Kühen eine Art Erfahrungswissen“, sagte Hauk. Aber der Kuhaugensimulator vermittle weitergehende Erkenntnisse. „Und für Auszubildende ist das hier ein bleibender Eindruck.“ 

Künftig sollen Kuhaugensimulatoren im Südwesten helfen, „die Umgebung für Rinder so zu gestalten, dass sich die Tiere wohl fühlen“, sagt der LAZBW-Direktor. Weniger Angst, mehr Wohlbefinden und Gesundheit - das könne auch dazu beitragen, „die Leistungsfähigkeit der Tiere zu erhöhen - darunter auch die Milchleistung und die Anzahl der Kälber in einem Lebenszyklus“. 

Hauk fordert zusätzliche Finanzmittel

Zu den Neuerungen, die sich Hauk im LAZBW erklären ließ, gehört ein Messgeräte, dass den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Methan in der Ausatemluft von Kühen exakt bestimmen kann. Die Forscher versprechen sich davon Lösungsansätze, die in der landwirtschaftlichen Praxis eine einer Verringerung dieses klimaschädlichen Gases ermöglichen.  

Zuvor hatte Hauk bei einem Besuch von Waldgebieten mit Borkenkäferbefall im Landkreis Biberach an alle Waldbesitzer appelliert, ihre Bestände jetzt mindestens einmal wöchentlich zu kontrollieren. Bei Anzeichen für einen Käferbefall sollten sie rasch die Forstbehörde einschalten, sagte der Minister. „Die Waldschäden in Baden-Württemberg werden mit jedem heißen Sommertag gravierender“, betonte er. Hauk forderte erneut mehr Unterstützung für Waldbesitzer durch den Bund. Zusätzliche Finanzmittel müssten schnell und unkompliziert bereitgestellt werden.