Der Künstler Peter Holl war schon immer ein großer Melancholiker. Seine neuen Bilder, die nun in der Stadtbibliothek zu sehen sind, erforschen das Wesen von Tierpräparaten.

Stuttgart - Der Wolf ist tot. Auch wenn er noch wie zu seinen besten Raubtierzeiten vorwärts zu schleichen scheint. Doch sein Revier ist nun nicht mehr der tiefe Wald, sondern das kühle Metallregal eines Museumsdepots. „Stop Motion“ heißt die Schau von Peter Holl in der Stuttgarter Stadtbibliothek, die sich der befremdlichen Schönheit zoologischer Präparate widmet. Dachs und Fuchs, Greifvögel und Affenbande – sie alle sind nur noch ausgestopft. Biologische Skulpturen, für immer eingefroren in einer letzten Bewegung.

 

Ein großer Melancholiker war der 1970 in Heilbronn geborene Wahlstuttgarter schon immer, ob er Jugendliche mit ihren bunten Straßenklamotten in einsame historische Gemäuer versetzte oder in Abstellkammern nach dem Fluidum einer anderen Zeit suchte. Warum aber jetzt Geschöpfe mit einem Drahtgestell im Innern und Kunstaugen im Kopf?

Das Menschliche an der Kreatur

„Für mich“, sagt der Künstler, „ist die Begegnung mit Tieren immer eine Konfrontation mit dem Anderen, das wir nicht wirklich verstehen können.“ Deswegen projiziere man viel Menschliches auf die Kreaturen. Durch die Präparation scheint sich dieser Effekt noch zu steigern.

Einmal mehr vertraut Holl dabei auf die Aquarelltechnik. Denn ihn interessiert die Unberechenbarkeit dieses Mediums. „Bei einem Aquarell“, erklärt er, „können Sie im Vorhinein nie vollständig abschätzen, wie die getrockneten Farben aussehen. Das Endergebnis überrascht mich immer wieder.“

Gleichwohl unterstreicht die Schau, wie souverän der Künstler das oft als Laientechnik unterschätzte Genre mittlerweile beherrscht. Reflexionen auf den Glasscheiben eines Gewächshauses, der stoffliche Schimmer von Fell und Federn oder die jeweilige Beleuchtungssituation vermag dieser Stimmungsaquarellist mit einem feinem Gespür für das Flüchtige wiederzugeben. Verleiht doch gerade der immaterielle Farbauftrag den realistischen Szenen die Unwirklichkeit einer Fata Morgana, die auch gleich wieder verschwinden könnte.

Ein Bild im Bild

Im Magazin des Naturkundemuseums hat Peter Holl zunächst einmal Fotos der ausgestopften Tiere gemacht. Nach diesen Vorlagen entstanden später die großformatigen Aquarelle. In die Inszenierungen der Präparatoren eingegriffen habe er dabei aber nicht. „Ich wollte die ursprünglichen Arrangements beibehalten. Sie sind für mich wie ein Bild im Bild.“

Das gilt besonders für eine Gruppe von Orang-Utans. In animalischer Unordnung auf Holzpaneelen zusammengepfercht, erinnert die Horde an die Schiffbrüchigen auf Théodore Géricaults Jahrhundertgemälde „Floß der Medusa“. Doch anders als die Matrosen bei Géricault rettet die Affen niemand mehr.

Ausstellung: Bis 25. April 2020 in der
Stadtbibliothek am Mailänder Platz, Mo-Sa 9-21 Uhr