Vor Peter Jackson hatten sich andere erfolglos an der Verfilmung des „Herrn der Ringe“ versucht. Der neuseeländische Regisseur stemmte das Projekt und hat nun auch, gegen alle Querelen, den „Hobbit“-Film gedreht.

Stuttgart - Es gibt zwei sichere Wege, sich Feinde zu machen: Erfolg und Misserfolg. Der neuseeländische Filmemacher Peter Jackson hat den ersten gewählt. Seit er mit acht Jahren eine gebrauchte Super-8-Kamera in die Hand bekam, hat er Film gelebt, geträumt, geatmet. Der 1961 Geborene hat zusammen mit Kumpels und vielen pfiffigen Heimwerkerlösungen nachgestellt, was er im Kino und auf Video sah.

 

Als er 1987 den abgedrehten Low-Budget-Horrorspaß „Bad Taste“ sogar aufs Festival nach Cannes brachte, haben die Profis noch gelächelt. Als Jackson später für Hollywood die Gigaproduktion „Der Herr der Ringe“ stemmte, hat man ihn vorne herum als Organisationsgenie und Multimillionen-Umsatzzauberer bewundert. Heimlich fühlten sich viele allerdings auch düpiert. Jahrzehntelang hatte sich Hollywood am Versuch einer Realfilmvariante des „Herrn der Ringe“ abgearbeitet. Dass nun niemand aus der A-Garde Hollywoods, sondern ein kleiner Autodidakt den wuchtigen Dreiteiler hinbekam, tat weh.

Jackson hatte Erfolg, Freunde machte er sich nicht

Der Mann aus Pukerua Bay war beim Einfädeln des Tolkien-Projekts 1996 kein Naivling mehr. Beim missratenen Film „The Frighteners“ hatte er gerade mit vielen Einmischungen zu kämpfen gehabt. Beim „Herrn der Ringe“ wollte er seine künstlerische Vision von Anfang an schützen. Jackson ließ sich nichts vorschreiben und trat mit der Attitüde auf: „Wenn ihr wüsstet, wie es geht, hättet ihr es längst gemacht.“ Das war der richtige Weg, den „Herrn der Ringe“ vor Kleingeistern zu bewahren. Aber es war kein Weg zu tiefer Gefährtenschaft, von der Tolkien erzählt.

Nach der Premiere des Trilogie-Abschlusses im Dezember 2003 war also nicht klar, was man in Hollywood wirklich über Jackson dachte. Allenfalls Steven Spielberg galt damals aber als mächtiger in der Branche. Nichts schien sicherer, als dass Jackson nun zügig, spätestens nach der Oscarfeier, „Der Hobbit“ verfilmen würde. Neun Jahre später kann man über diese Vorfreude nur noch säuerlich grinsen.

Wo Geld ist, ist auch Streit ums Geld. Nach dem Megaerfolg des „Herrn der Ringe“ kehrte Jackson nicht nach Mittelerde zurück, sondern drehte erst einmal sein langjähriges Herzensprojekt „King Kong“ und verklagte das Studio New Line Cinema, weil er überzeugt war, nicht seinen vollen Anteil am Gewinn des „Herrn der Ringe“ bekommen zu haben.

Zank und Streit beim „Hobbit“-Film

Dieses Vorgehen war nicht geeignet, um das Auenland, Bilbo Beutlin, Gollum und Gandalf bald wieder erstrahlen zu lassen. Von New Line Cinema kam prompt die Ansage, mit Jackson werde man nie mehr zusammenarbeiten. Dass später noch andere, unter anderem das Tolkien-Estate aus England und der Produzent Saul Zaentz, New Line wegen zweifelhafter Abrechnungen verklagten, mochte dafür sprechen, dass Jackson nicht gierblind auf gut Glück prozessierte. Viel Hoffnung auf einen „Hobbit“-Film machte das aber auch nicht.

Hoffnung kam erst wieder auf, als ein Kompromiss verkündet wurde. Jacksons Knowhow, Gespür und Glaubwürdigkeit werde dem „Hobbit“-Projekt durch seine Funktion als Produzent und Co-Autor zuwachsen, auf die Regie aber werde er verzichten. Noch mehr Hoffnung keimte, als im April 2008 ein Edelregisseur für Fantastik zum Team stieß, der Mexikaner Guillermo del Toro („Hellboy“).

In zwei Jahren äußerer Ereignislosigkeit, widersprüchlicher Gerüchte und mancher Schlüssellochguckermeldung über zäheste Vorbereitungen in Neuseeland schwand die Zuversicht bei den Fans. Im Mai 2010 wankten auch die größten Optimisten. Der chronisch wacklige Geldgeber MGM war mal wieder pleite, und Del Toro schmiss hin. Dass er schon lange vorher mehrere Verträge über andere Großproduktionen unterzeichnet hatte, lässt die Spekulation zu, dass er sich nie wirklich als Teil der Jackson-Clique gefühlt hat.

Jackson wurde zum Retter in der Not

Am Punkt der größten Fan-Frustration ist Peter Jackson wieder auf den Regiestuhl geklettert, vielleicht als Retter in der Not. Vielleicht hat er aber auch einen mit undurchschaubarem Gesicht geführten Nervenpoker gewonnen. Nein, Jackson ist nicht der Bad Guy der „Hobbit“-Annalen, er bleibt ein Glücksfall für alle, die glauben, große Leinwandspektakel könnten Herz und Hirn enthalten, nicht nur Prügeleien zwischen als Autos getarnten Riesenrobotern. Aber „Der Hobbit“ erzählt eben auch, dass große Macht nie ohne Folgen für ihren Träger bleibt. Peter Jackson dürfte in den vergangenen 15 Jahren gelernt haben, dass zum Filmemachen auch Machtspiele und Winkelzüge gehören.

„Hobbit“-Film: Sherlock und Dr. Watson sind dabei

Im Hobbit-Film wird es ein Wiedersehen mit den „Herr der Ringe“-Stars geben. Doch diesmal werden nicht Elijah Wood (Frodo), Orlando Bloom (Legolas), Ian McKellan (Gandalf), Kate Blanchett (Galadriel) oder Christopher Lee (Saruman) die Szenerie beherrschen, sondern das Aufeinandertreffen zweier aufstrebender britischer Schauspielstars: Benedikt Cumberbatch alias Sherlock Holmes und Martin Freeman alias Dr. Watson. Das Pikante daran: anders als in der rasanten BBC-Krimiserie „Sherlock“ werden die beiden in Peter Jacksons Werk nicht gerade zusammenarbeiten. Freeman spielt den kleinen Hobbit, also Bilbo Beutlin, und Cumberbatch leiht dessen größtem Feind, dem bösen Drachen Smaug, mit Hilfe der Animationstechnik Performance Capture Stimme, Mimik und Gestik. Cumberbatch kennt sich aus mit Monstern: Nicht nur seine Darstellung von Sherlock Holmes hat phasenweise etwas Diabolisches, am Royal National Theatre in London spielte der 35-jährige Brite bereits Frankensteins Monster.

Mehrere Stunden haben Elijah Wood und seine Hobbit-Kollegen beim „Herr der Ringe“-Dreh täglich in der Maske verbracht. Martin Freeman, der Bilbo Beutlin spielt, in einen Hobbit zu verwandeln, kann oberflächlich betrachtet nicht allzu lange dauern. Haare (lockig), Gesicht (charismatisch, aber nicht schön) und Körperbau (klein und stämmig) des 40-jährigen Briten erinnern stark an die von Tolkien erschaffenen Halblinge. Genau wie beim „Herrn der Ringe“ hat Peter Jackson auch diesmal bei der Besetzung der Hauptrolle nicht auf einen Hollywoodstar gesetzt. Freeman gelingt durch die Verfilmung des Kinderbuchklassikers „Der kleine Hobbit“, der die Vorgeschichte der „Ringe“-Bücher erzählt, ein gewaltiger Karriereschritt. In Deutschland kennt man ihn aus Nebenrollen: als Lichtdouble für Pornofilme in der Romantikkomödie „Tatsächlich Liebe“ und als Sherlocks zurückhaltenden Detektivgehilfen Dr. Watson. Fantasyerfahrung hat Freeman als Arthur Dent in „Per Anhalter durch die Galaxis“ gesammelt.