Trommeln kann Phil Collins aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Aber auf Tourneen will der Superstar weiterhin gehen. Und Musik herausbringen.

London - Dass er das Zeug zum Weltstar hat, war 1969 noch nicht absehbar. Da trommelt der langhaarige, 18 Jahre alte Phil Collins unauffällig und leicht amüsiert vor der Kamera. Immerhin singt er auch schon damals als Mitglied der Gruppe Flaming Youth bei „Guide Me, Orion“ mit. Knapp 50 Jahre später eröffnet dieser melodische Pomp-Rock-Song Collins’ neue Werkschau. „Plays Well With Others“ ist eine musikalische Sammlung von Sessionarbeiten und Kollaborationen.

 

„Das Album ist nicht unbedingt für jeden was“, sagt Collins im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, „ich glaube, das ist eher für Fans und Musiker und solche Leute gedacht.“ Die vier CD-Box ist keine dieser Best-Of-Zusammenstellungen, die oft zu Weihnachten erscheinen. Hier geht es um den Schlagzeuger und den Produzenten Collins. Als Sänger ist er seltener zu hören - etwa zusammen mit Quincy Jones bei „Stormy Weather“ oder mit einer Pianoversion seines Megahits „In The Air Tonight“, mal ganz ungewohnt ohne Schlagzeug.

Stars geben sich die Klinke in die Hand

Die Liste der Künstler, mit denen der 67-Jährige über die Jahrzehnte zusammengearbeitet und die er hier versammelt hat, ist beeindruckend. Pop- und Rockstars wie Paul McCartney („Angry“), David Crosby („Hero“), Chaka Khan („Watching The World“) oder Tears For Fears („Woman In Chains“) sind genauso darunter wie Jazzgitarrist Al Di Meola („Island Dreamer“), Soundpionier Brian Eno („No One Receiving“) und der ehemalige Led-Zeppelin-Sänger Robert Plant („Pledge Pin“).

Vor allem bei den Songs aus den 80er Jahren ist eine klangliche Handschrift erkennbar, erst recht wenn Collins sowohl produziert als auch das Schlagzeug gespielt hat. So war es bei der Hitsingle „I Know There’s Something Going On“ von ABBA-Sängerin Frida und dem weniger bekannten Albumtrack „Just Like A Prisoner“ von Blues-Ikone und Collins-Kumpel Eric Clapton. „Er hat ein paar Mal gesagt, dass das einer der besten Gitarrentracks ist, die er jemals aufgenommen hat“, freut sich Collins. „Da bin ich sehr stolz drauf.“

Besonders gefallen dem gebürtigen Londoner die Liveaufnahmen auf der vierten CD. Beim Konzert „Party At The Palace“ zum 50. Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. trommelte er am Buckingham Palast in der britischen Hauptstadt unter anderem für Clapton, Joe Cocker und Annie Lennox. „Es gab ein paar großartige Auftritte an dem Tag“, schwärmt er, „und es war ein Privileg, das Schlagzeug zu spielen.“

Die Veröffentlichung von „Plays Well With Others“ hat für den Sänger allerdings einen bittersüßen Beigeschmack. Denn seit ein paar Jahren kann Phil Collins nicht mehr Schlagzeug spielen. „Es geht nicht“, sagt er. „Ich kann den Stick nicht fest genug halten.“ Die Resignation in seiner Stimme ist nicht zu überhören. „Ich wäre bescheuert, wenn ich sagen würde, es fehlt mir nicht.“

Ein Beigeschmack bleibt

Besonders scheint es ihn zu stören, wenn bei seinen Konzerten das legendäre Break von „In The Air Tonight“ ansteht. „Die Leute denken, dass ich vielleicht doch spiele“, sagt Collins. „Sie haben gelesen, dass ich nicht spiele. Aber insgeheim hoffen sie, dass es der Abend wird, an dem ich es doch tue. Es wäre schön, wenn ich das könnte.“

Der fünffache Vater tröstet sich damit, dass an seiner Stelle nun sein 17 Jahre alter Sohn Nicholas auf dem Schlagzeughocker sitzt. „Er klingt auch wie ich“, schwärmt Collins. „Ich bin außerordentlich stolz auf ihn und ohne ihn würde ich nicht diese Konzerte geben.“ Ein eigenes Drum-Comeback schließt er aus. „Ich hab es oft genug gesagt: Wenn ich es nicht so gut kann wie früher, dann lasse ich es lieber ganz. Ich will kein Schatten meiner selbst sein.“

Nach einer Rückenoperation ist Collins’ rechter Fuß gelähmt. Er geht am Stock und kann nicht mehr Autofahren. Seine Auftritte absolviert der Sänger, der demnächst in den USA, in Australien und Neuseeland auf Tournee geht, deshalb im Sitzen. „Das sind medizinische Probleme, die ich gern beheben würde“, sagt er, „aber ansonsten ist das Leben gut.“ Nach der Scheidung von seiner dritten Frau Orianne im Jahr 2008 lebt er inzwischen wieder mit ihr und den gemeinsamen Kindern in Miami zusammen. Privat läuft es rund für ihn.

Kein neues Album geplant

Neue Musik ist nicht geplant, obwohl das letzte Album mit neuen Songs („Testify“) schon 16 Jahre her ist. „16 Jahre? Um Gottes Willen!“, staunt Collins und lacht. „Ich sollte wohl mal wieder einen Finger bewegen und etwas Neues machen.“ Doch ihm fehlt die Motivation. Er verspüre keinen Drang, neue Songs zu schreiben, gesteht er. Zwar mache er sich ab und zu Notizen für Texte und Melodien. „Aber ehrlich gesagt, ich hab kaum etwas gemacht. Ich war zu faul.“

Auch auf Aktivitäten mit Genesis, die auf der neuen CD-Box nur mit der Single „No Son Of Mine“ vertreten sind, sollte man nicht warten. Angesprochen auf mögliche Pläne vermeidet Collins anfangs das Wort Reunion, „weil ich damit wieder irgendwas anheize“. Dann fällt es doch und ein gewisses Interesse ist erkennbar. „Ich glaube, wenn wir alle zusammenkommen würden, sowas Ähnliches wie eine Reunion, und einiges von dem alten Zeug spielen würden, dann würde uns das schon begeistern“, sagt er. Dass es dazu kommt, ist jedoch fraglich.

Immerhin veröffentlicht Collins mit „Plays Well With Others“ nun eine hochklassige Zusammenstellung. Klar, dass einige der progressiven, psychedelischen und experimentellen Tracks, wie er selbst sagt, nicht jedem gefallen. Das Lied seiner Jugendband Flaming Youth findet Collins aus heutiger Sicht „in Ordnung“. Aber auf den vier CDs ist noch genug andere, vielseitige und großartige Musik zu entdecken, die nicht nur Kenner begeistern wird. Denn der Drummer und Produzent Phil Collins ist mindestens so spannend wie der Sänger.