Phil Collins hat in Köln seinen fünftägigen Comeback-Konzertreigen eröffnet: In der Summe ein makellos intoniertes, charmant vorgebrachtes und begeistert gefeiertes Hitfeuerwerk einer fragilen, aber achtbar zurückgekommen Legende.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Köln - Dass ein Künstler sich nicht über Erfolg und Anerkennung freut, erlebt man eher selten. Erstaunt horchte die Welt daher auf, als Phil Collins vor sieben Jahren zunächst verkündete, dass er sich nicht wundere, dass er die Menschen nur noch nerve und dass sie ihn nicht mehr sehen und hören können – weil ihm das ja selbst genau so gehe. Ein Jahr später, 2001, als er auch von der ständigen Kritik selbst seiner Musikerkollegen die Nase voll hatte, entschloss sich Collins endgültig zum Abschied vom Musikbusiness.

 

Genervt waren die Leute gleich dreifach. Zunächst vom Weg, mit dem Collins die Band Genesis weg vom Progressive-Rock hin zum kommerzorientierten Pop führte. Dann vom Umstand, dass er die Band verließ. Und schließlich von der medialen Dauerpräsenz, in der tagtäglich rund um den Globus seine Hits in der Dauerrotation der Mainstreamradiosender liefen. Und laufen.

Denn ganz so schlimm kann das nicht sein mit dem vermeintlich allseitigen Überdruss. Gleich fünf Konzerte hintereinander hat der Brite in Deutschlands größter Veranstaltungshalle ansetzen lassen. Alle fünf waren in Windeseile ausverkauft, trotz Eintrittspreisen, die bei hundert Euro gerade erst beginnen. In der Summe achtzigtausend Menschen werden den Sänger so allein in der Kölner Lanxess-Arena gesehen haben. Das ist, fraglos, ein Statement.

Sehnsucht nach Rampenlicht

Warum Collins die fünf Deutschlandkonzerte seiner Tournee alle an einem Ort bündelt und sie nicht zum Wohle aller Interessierten über die Republik verteilt, wird das Geheimnis des Musikers bleiben. Da die Show alles andere als aufwändig gestaltet ist, die Eintrittspreise gesalzen sind und der Weltstar in Geld schwimmt, können es weder logistische noch pekuniäre Gründe sein. Es ist wohl eher so, dass der sichtlich gealterte und gebrechlich wirkende 66-Jährige größere Reisestrapazen zu vermeiden sucht. Er logiert in Köln in einem fünfhundert Meter vom Veranstaltungsort liegenden Hotel, er geht am Stock, er kann seine Konzerte nur im Sitzen bestreiten und man sieht ihm die Mühsal an, die ihm – nach einer Rückenoperation und vielen anderen gesundheitlichen Problemen – jeder Schritt bereitet.

Aber die Sehnsucht nach Rampenlicht ist offenbar stärker als jeder Schmerz, und so konnte ihn vor wenigen Tagen auch der Sturz in einem Londoner Hotelzimmer nur zu einer Nacht im Krankenhaus und zur Absage zweier seiner geplanten Auftritte in der britischen Hauptstadt zwingen. In Köln kommt der Auferstandene am Sonntagabend nun mit einem dicken Pflaster auf der Stirn auf die Bühne, doch der frenetische und in dieser Intensität so selten gehörte Begrüßungsapplaus der sechzehntausend Premierengäste, der ihm bereits auf den wenigen Metern hin zu einem Barsessel im Scheinwerferkegel entgegenschlägt, mag ihn für vieles entschädigen.

„Ich weiß, ich habe gesagt, ich werde in den Ruhestand gehen“, liest er in Deutsch von einem Notizzettel ab, „aber um ehrlich zu sein: ich habe euch vermisst“, fügt er sogleich hinzu. Doch ehe man zu grübeln beginnen kann, ob nun ein Herzenswunsch wahr wird oder ob es genau diese Sorte der Anbiederung ist, die Phil Collins vielen Menschen suspekt gemacht hat, legt seine Band auch schon los. „Against all Odds (take a look at me now)“, „Another Day in Paradise“ und „One more Night“ kommen direkt als erste drei Stücke, drei weltweite Megahits, die Collins‘ Ruf als Solokünstlersuperstar zementiert haben, als er schon längst mit Genesis ein Bandsuperstar war.

Endlosschleife aus der Hitfabrik

Collins singt die Stücke in absoluter Studioqualität und so ungebrochen gut, als seien sie erst gestern eingespielt worden. Die sechsköpfige Band, zusammengestellt aus teils jahrzehntelangen Wegbegleitern, agiert dazu entsprechend routiniert, die Bühne wird gediegen, aber angesichts der Produktionsgröße nicht über Gebühr üppig in farbenfrohe Wechselbäder getaucht. Einen Bläsersatz und eine Backgroundsängersektion hat er dabei, jeweils vierköpfig, fünfzehn Musiker präsentieren also die Stücke, die von der Tonregie – alles andere als selbstverständlich bei der Beschallung einer solchen Riesenhalle – verblüffend wohltönend in Szene gesetzt werden. Sein das Klangbild dominierender Keyboarder sticht heraus ebenso sein schon von Genesis bekannter Gitarrist Daryl Stuermer und natürlich derjenige, der den einstigen Genesis-Schlagzeuger jetzt an den Drums ersetzt: sein 16-jähriger Sohn Nicholas, der über die Gnade der späten Geburt verfügt und mithin über den Vorzug, alle Phil-Collins-Songs erst noch kennenlernen zu dürfen.

In der zweiten Hälfte des inklusive Pause dreistündigen Konzerts singt er am Flügel ganz allein mit dem Herrn Papa die leicht klebrige Ballade „You know what I mean“, die er auf irgendeiner Aufnahme im Collins’schen Fundus ausgegraben hat. Sie fällt in eine Phase des Konzerts, in der kurz ein wenig Leerlauf herrscht, den Phil Collins aber sogleich dadurch abfedert, dass er zum Finale alle noch fehlenden Superhits en bloc präsentiert. „In the Air tonight“ in einer recht originellen Interpretation, „Dance into the Light“ und zum Abschluss „Sussudio“ aus seiner eigenen Feder, dazwischen seine Coverversionen „You can’t hurry Love“ und „Easy Lover“ sowie „Invisible Touch“ von Genesis.

In der Summe ist das ein makellos intoniertes, charmant vorgebrachtes und begeistert gefeiertes Hitfeuerwerk einer fragilen, aber achtbar zurückgekommen Legende, gegen das sich keinerlei ernsthafte Einwände vorbringen lassen. Dennoch fragt man sich, warum Collins bei seinen ersten Konzerten seit zehn Jahren nicht die Chance ergreift, ausgefallenere Nummern aus seinem sehr breiten Repertoire zu präsentieren, statt auch noch die Coverversionen einzubauen, nur um den größtmöglichen Gassenhauerrevuezweck zu erfüllen. Und warum er sich nicht etwas aus dem ambitionierteren Genesis-Repertoire auswählt, etwa vom großen Konzeptalbum „The Lamb lies down on Broadway“, angeblich immerhin seinem Lieblingsalbum von Genesis. Stattdessen spielt er in der ersten Hälfte „Follow you follow me“ und im zweiten Teil ausgerechnet „Invisible Touch“, den einzigen Nummer-Eins-Hit, den Genesis in den USA hatten.

Klar, das sind zwei der großen Hits seiner Exband, die das Publikum nun mal auch hören will, könnte man jetzt einwenden. Aber es ist genau diese den Stillstand konservierende Endlosschleife aus der Hitfabrik, die so leider tagtäglich auch im biederen Formatradio wiedergekäut wird, die vielerorts den Phil-Collins-Überdruss ausgelöst hat. Bei aller Freude über die Rückkehr eines Totgesagten: Phil Collins hat auch in Köln mal wieder versucht, es allen recht und alles richtig zu machen. Vielleicht ist genau das sein künstlerisches Problem.