Philip Kerrs plötzlicher Tod hat Bestürzung ausgelöst. Auch bei Hans Jörg Wangner, der den „Kalten Frieden“ des Briten gelesen und viele alte Qualitäten des Autors darin entdeckt hat.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Über Tote nichts Schlechtes, zumal wenn sie lange vor der Zeit abberufen wurden. Dennoch sei die Bemerkung erlaubt, dass Philip Kerr, der im März völlig unerwartet im Alter von 62 Jahren starb, nicht in allen Werken auf der gleichen Höhe war - ganz so, als hätten ihn manche seiner geistigen Kinder nur am Rande interessiert. Die am Ende 13-teilige Reihe um Bernie Gunther (die beiden letzten Bände sind bislang nur auf Englisch erschienen) hingegen hat fast in jeder Folge einen enormen erzählerischen Sog. So auch „Kalter Frieden“, Kerrs elfter Roman um den Berliner (Ex-)Bullen, der gegen seinen Willen für die Bösesten der Bösen arbeiten musste: Goebbels, Heydrich, später Mielke - diese Liga halt.

 

Zehn, elf Jahre nach dem zweiten Weltkrieg schlägt sich Bernie Gunther unter dem falschen Namen Walter Wolf an der französischen Riviera als Hotelportier durch. Er verbringt seine Freizeit mit Bridge und will im Übrigen seine Ruhe haben. Doch die wird erst leicht und dann sehr empfindlich gestört, als eine junge Autorin ihn bittet, ihr einen Kontakt zu dem Schriftsteller William Somerset Maugham herzustellen. Der weltberühmte Autor lebt sehr zurückgezogen und die junge Frau behauptet, sie wolle seine Biografie schreiben.

Komplott aus westlichen und östlichen Geheimdienstlern

Unversehens ist Gunther mitten in einem Komplott aus östlichen und westlichen Geheimdienstlern, aus Mord und Erpressung – und in einem Konflikt mit einem Mann, der schon zweimal seinen Weg gekreuzt hat. Harold Heinz Hebel war schon während der Nazizeit ein gewohnheitsmäßiger Erpresser der übelsten Sorte und als Hauptmann beim SD hat er für Gunther Mitschuld an der Versenkung der Wilhelm Gustloff, bei der auch Gunthers schwangere Freundin den Tod fand.

Es sind gerade die Schilderungen der Nazi-Zeit, die zu den stärksten des Buches gehören. Erneut gelang es Kerr, diesen rauen Tonfall zu treffen, erneut stellt er sehr plastisch dar, was für Unmenschen unter Hitler zu Macht und Mächtle kamen.

Doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Böse sehr präsent und ob es Gunther, der in früheren Abenteuern ja durchaus schon zum Mord als Fortsetzung der Ermittlung mit anderen Mitteln griff, gelingt, moralisch und rechtlich halbwegs sauber aus der Sache herauszukommen, wird natürlich nicht verraten. Nur soviel: es bleibt spannend. Und bis die beiden letzten Gunther-Romane auf den deutschen Markt kommen, können sich seine Fans den kalten Frieden als Anregung nehmen und gute Bücher von einer anderen britischen Größe (wieder-)lesen: von William Somerset Maugham natürlich.

Philip Kerr: Kalter Frieden. Roman. Aus dem Englischen von Axel Metz. Wunderlich Verlag. 400 Seiten, 22,95 Euro.