Ob im ökumenischen Arbeitskreis oder in der Flüchtlingshilfe – Pia Balle packt schon ihr Leben lang dort an, wo unterstützende Hände gebraucht werden. Seit 2005 sammelt die pensionierte Lehrerin den Müll auf dem Spielplatz im Scharnhauser Park.

Ostfildern - Einer muss sich ja kümmern“ – Pia Balle will gar nicht viel Aufhebens machen um ihren Job. Denn sie macht ihn nicht der Anerkennung wegen. Sondern weil sie es einfach nicht sehen kann, dass öffentliche Anlagen wie das frühere Landesgartenschau-Gelände am Rande des Scharnhauser Parks ständig verschmutzt werden. Seit 2005 ist fast kein Tag vergangen, an dem die heute 89-Jährige nicht mit einer Plastiktüte über den großen Spielplatz marschiert ist, um Abfälle einzusammeln, die andere achtlos weggeworfen haben.

 

Zigarettenkippen, zerbrochene Flaschen, Bierdosen, Plastikbecher, Papiertaschentücher – oftmals wird ihre Tüte komplett voll. „Und nach einem Wochenende brauche ich meistens sogar eine zweite“, berichtet Balle. Whiskey-Flaschen habe sie schon gefunden, und immer wieder Scherben. Offenbar von jungen Leute, die sich auf dem Spielplatz treffen, um dort zu feiern. Aber auch Familien, die den Spielplatz als Ausflugsziel schätzen, entledigen sich hier gerne ihrer Abfälle. „Obwohl die Stadt fünf Mülleimer aufgestellt hat“, sagt Balle.

Notfalls spricht die Seniorin die Müllsünder auch an

Passiert es mal, dass jemand vor ihren Augen die Verpackung von Süßigkeiten oder ein Tempo wegwirft, scheut sich die Seniorin nicht, den Verschmutzer direkt anzusprechen. Freundlich, aber bestimmt. „Da werde ich manchmal ganz schön angepflaumt“, erzählt sie. „Manchmal bleibt einem schon mal die Spucke weg.“ Auf die Frage, was sie das angehe, antwortet Balle dann, sie sorge im Auftrag der Stadt hier für Sauberkeit. Was ja auch stimmt. Die pensionierte Lehrerin mit dem bayerischen Zungenschlag gehört einem rund 60-köpfige Team an, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die öffentlichen Anlagen zu pflegen. Ohne Bezahlung. Jahr um Jahr. In der Stadtverwaltung weiß man dieses Engagement zu schätzen. Deswegen erhalten die ehrenamtlichen Helfer auch Unterstützung vom Grünflächenamt und vom Bauhof. Das Team hat viel zu schaffen in den Bürgergärten, den Überbleibseln der Gartenschau. „Traumfelder“ wurden sie damals genannt.

Außerdem gehört zu den Aufgaben der ehrenamtlichen Helfer auch der Schließdienst an den Toiletten, die von April bis November geöffnet sind. Auch da schaut Pia Balle regelmäßig nach dem Rechten. Sie wohnt nur eine Katzensprung entfernt in der Helene-Lange-Straße. „Raus muss ich sowieso jeden Tag, um mich zu bewegen“, sagt die fitte Seniorin. „Da verbinde ich den täglichen Spaziergang halt mit dem Praktischen.“

Der Ministerpräsident würdigt Pia Balle als „Sinnstifterin“

Sich für die Allgemeinheit einzusetzen, ist der gebürtigen Bayerin schon immer wichtig. Die rastlose Pädagogin ist so etwas wie der Prototyp eines bürgerschaftlich engagierten Menschen. 30 Jahre lang arbeitete sie mit viel Herzblut im ökumenischen Arbeitskreis mit, einem ehrenamtlichen Gremium, das bis zu 260 Bewohnerinnen und Bewohner eines Übergangswohnheims in der Parksiedlung betreute. Für ihren vielfältigen Einsatz, auch in der Kirche, wurde die resolute Seniorin vor vier Jahren von Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit dem Verdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Der Landesvater würdigte Balles Einsatz. Sie sei „eine Sinnstifterin und eine Brückenbauerin“, die seit Jahrzehnten vorlebe, „wie man den Zusammenhalt in unserem Gemeinwesen stärkt“.

Zupacken, wenn irgendwo Unterstützung gebraucht wird, das war schon immer ihre Art, trotz Großfamilie mit fünf Kindern und zehn Enkelkindern. „Einer muss sich ja kümmern“, sagt sie einmal mehr. Genauso hat sie es gemacht, als vor einigen Jahren viele Flüchtlinge auch in Ostfildern gestrandet sind. Monatelang brachte sie sechs jungen Afghanen bei sich zuhause so viel Deutsch bei, dass sie in ihrer neuen Heimat einigermaßen Fuß fassen konnten. Fast wie eine Mutter kümmerte sie sich damals um die jungen Männern. „Die Zeit möchte ich nicht missen“, sagt sie im Rückblick. Mit den jungen Männern von damals hat sie noch heute Kontakt. Alle seien dabei, aus ihrem neuen Leben etwas zu machen, erzählt die 89-Jährige mit Stolz. Einer sei Altenpfleger geworden, die anderen hätten einen Ausbildungsplatz bekommen. Gewiss nicht zuletzt dank der liebevollen Schützenhilfe von Pia Balle.