Von wegen Ruhestand und die Füße im Ruhestand hochlegen. Gerd Simper ist lieber los gelaufen. Sein Weg führte ihn von Feuerbach bis zum Kap Finesterre. Mehr als 2000 Kilometer legte er dabei zu Fuß zurück.

Stuttgart - Auf der Couch sitzen und die Füße hochlegen, das konnte sich Gerd Simper als Rentner nichtvorstellen, im Gegenteil. An seinem ersten Tag im Ruhestand hat sich der Diplom-Ingenieur seine Wanderschuhe übergestreift und ist losgeelaufen – von Stuttgart-Feuerbach bis nach Santiago de Compostela und schließlich zum Cap Finisterre. Das waren mehr als 2000 Kilometer in 102 Tagen.

 

„Den Jakobsweg wollte ich schon immer mal gehen“, sagt der 65-Jährige. „Ich war nur nicht sicher, dass ich eine so lange Zeit unterwegs fernab der Heimat durchhalte.“ Körperlich machte er sich keine Sorgen. Simper ist passionierter Wanderer und exzessiver Radfahrer. Mit seiner Frau Petra Brixel ist er bereits alle Fernwanderrouten in Baden-Württemberg gelaufen, was eine Wand in seinem Wohnzimmer mit zahlreichen Wanderplaketten dokumentiert.

Komitee zur Betreuung des Pilgers gegründet

Als Entwicklungshelfer hat er zudem für zwei Jahre in Papua-Neuguinea und für drei Jahre im Jemen gelebt, wo er auch viel gewandert ist. „25 Tage am Stück war aber meine bisher längste Fernwanderung“, sagt er. Beim Wandern komme es aber nicht nur auf das Körperliche an, sondern vor allem „dass man psychisch stabil ist“. Auf den Wanderungen durch Deutschland sei er oft tagelang allein gewandert. „Man begegnet keiner Menschenseele. Das kann ganz schön einsam sein“, sagt der 65-Jährige. Beim Jakobsweg sei er sich jedoch sicher gewesen, dass er nicht allein unterwegs sein würde. Seine Frau begleitete ihn zudem für eine Woche in Frankreich sowie die letzten 14 Tage der Reise in Spanien.

Außerdem hielt Simper so gut es geht den Kontakt nach Hause. Zwei Jahre lang hatte er seine dreimonatige Wanderung vorbereitet und sogar ein eigenes „Komitee zur Betreuung des Pilgers“ mit zehn Teilnehmern – alles Freunde – gegründet. Schriftführer, Schatzmeister, die beiden Vorsitzenden sowie die restlichen Mitglieder begleiteten seine Wanderung von zuhause aus. Am 11. Mai kam Simper in Waldshut an, wo vom Schatzmeister der ordnungsgemäße Grenzübertritt des Pilgers in die Schweiz überwacht wurde. Dabei wurden auf der Rathaustreppe das Gewicht des Pilgers, des Rucksacks, der Blutdruck sowie die Profilstärke der Wanderschuhe überprüft.

Das Profil der Wanderschuhe ist völlig runter

Schaut sich Simper heute seine Wanderschuhe an, muss er schmunzeln. Das Profil ist völlig herunter, an zwei Stellen ist die Sohle ganz weg. „Immerhin bin ich mit nur einem Paar ausgekommen“, verkündet er. Stolz macht ihn auch das Gewicht seines Rucksacks, in dem auch Zelt und Isomatte verstaut sind. „Neun Kilogramm. Das schaffen nur wenige. Die meisten laufen mit zwölf bis 16 Kilogramm los und schicken dann in Etappen Pakete zurück.“

Ein Handy hat Simper gar nicht erst eingesteckt, dafür sechs Notizheftchen, in denen er in winziger Schrift seine Reise dokumentierte. „Ich habe jeden Tag eine Stunde lang Tagebuch geschrieben“, erzählt er. Telefonieren auf der Reise war schwieriger, denn klassische Telefonzellen sind nicht in jedem Ort zu finden. Die meisten Pilgerer haben daher ein Handy dabei. „Glauben Sie nicht, dass Sie Ruhe und Einkehr auf der Wanderung finden, dazu ist es viel zu laut“, sagt er lachend. Überrascht sei er gewesen, wie viele junge Leute auf dem Jakobsweg unterwegs sind. „Ist natürlich ein preisgünstiger Urlaub. Und ein optimaler Heiratsmarkt. Man findet auf jeden Fall Gleichgesinnte“, sagt er schmunzelnd.

Simper übernachtete oft in seinem Zelt, aber auch in Pilgerherbergen, Jugendherbergen, im Kloster, gelegentlich auch in Privatunterkünften. Jeden Tag legte er eine Strecke von etwa 27 Kilometern zurück. Besonders gut gefallen hat ihm die Schweiz und Frankreich. „In der Schweiz gibt es viele große Seen, aber auch Frankreich ist landschaftlich sehr abwechslungsreich und man sieht viele unterschiedliche Gesteinsarten“, erzählt der Hobbyvulkanologe.

Die Stationen von Gerd Simper auf dem Weg zum Kap Finisterre

Ein Amerikaner mit besonderem Gepäck

Auf seiner Wanderung traf er immer wieder auf die gleichen Pilger. „Ich bin viele Stunden mit einem Korianer gelaufen. Wir hatten ein ähnliches Tempo. Da erfährt man viel über die Motivation und das Leben des anderen“, sagt Simper. Heute haben sie noch per E-Mail Kontakt. Besonders beeindruckt hat den 65-Jährigen aber ein Amerikaner, der die Asche seiner an Krebs verstorbenen Frau im Gepäck hatte. Er hatte ihr auf dem Sterbebett versprochen, ihre Asche am Kap Finisterre ins Meer zu streuen. „Er hatte für seinen Weg einen richtigen Grund. Er konnte daher gar nicht aufgeben. Er musste einfach weiter.“

Bei der Frage, ob er den Jakobsweg noch einmal gehen würde, kommt Simper ins Grübeln: „Meine Frau würde gern von Portugal aus nach Santiago laufen. Da komme ich sicher noch mal mit. Eigentlich mache ich aber ungern etwas zwei Mal.“ Jetzt brauche er zunächst mal etwas Zeit – Zeit, die Reise aufzuarbeiten, die Bilder und Tagebücher zu sichten und vielleicht doch mal für einen kurzen Moment die Füße hochzulegen.

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