Die IG Metall und der Arbeitgeberverband in Nordrhein-Westfalen vereinbaren einen „Solidartarifvertrag 2020“ als Antwort auf die Corona-Krise. Die Arbeitgeber im Südwesten üben Kritik und wollen mit der Gewerkschaft nochmals darüber verhandeln.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Coronakrise angepasst haben IG Metall und Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen binnen nur drei Tagen geräuschlos einen Tarifabschluss vereinbart – den sogenannten „Solidartarifvertrag 2020“. Er dient vor allem der Beschäftigungssicherung, weil er den Unternehmen je nach wirtschaftlicher Lage keine oder nur geringe Kosten aufbürdet, denn es gibt keine Lohnerhöhung für alle Beschäftigten. Zudem wurde eine solidarische Lösung für Kurzarbeiter entwickelt, die die hohen Einkommenseinbußen nicht verkraften. Der Gewerkschaftsvorstand hat den Pilotabschluss am Freitagmorgen allen Tarifbezirken zur Übernahme empfohlen. Die Arbeitgeber in Baden-Württemberg machen an der Stelle aber ein Fragezeichen. Ein Überblick.

 

Was sind die wesentlichen Elemente?

Der zunächst zum 31. März gekündigte Entgelttarifvertrag wird ohne eine Erhöhung der Tabellenentgelte unverändert wieder in Kraft gesetzt – das neue Abkommen hat eine Mindestlaufzeit bis Ende Dezember dieses Jahres.

Reaktiviert wird der Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“, der in der Krise 2009/2010 Massenentlassungen verhindert hatte. Darüber hinaus gibt es anstelle eines allgemeinen tariflichen Zuschusses zum Kurzarbeitergeld eine Härtefall-Regelung: Der Betrieb stellt eine bestimmte Summe von 350 Euro je Vollzeitbeschäftigtem zur Verfügung. Aus diesem Solidartopf können Beschäftigte unterstützt werden, die durch den Einkommensverlust bei langandauernder Kurzarbeiter in finanzielle Nöte kommen. Nicht verwendete Mittel des Topfes werden zum Stichtag 1. Dezember 2020 an die Beschäftigten zu gleichen Teilen ausgezahlt. Die nicht ausgeschöpfte Summe kann aber auch – wiederum je nach Lage des Betriebs – von diesem einbehalten werden.

Als drittes Element können Eltern mit Kindern bis zu zwölf Jahren bei Schließungen von Kitas und Schulen acht freie Tage für die Betreuung nehmen anstatt des tariflichen Zusatzgeldes, das beim Tarifabschluss 2018 eingeführt wurde. Außerdem erhalten Beschäftigte im Jahr 2020 für die Betreuung von Kindern, soweit zwingend erforderlich, mindestens fünf freie Tage ohne Anrechnung auf den Urlaub, das Entgelt wird weitergezahlt.

Was sagen die Tarifpartner?

„Eine starke Tarifpartnerschaft kann zu schnellen und angepassten Regelungen führen“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann am Freitagmittag in einer Telefonkonferenz. Millionen von Beschäftigten werde die Angst vor massiven Einkommensverlusten durch Kurzarbeit genommen. Daher sei der Abschluss ein Beitrag zur Abfederung der Coronakrise und stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

In einer Telefonkonferenz mit dem Verhandlungsführer der IG Metall, Knut Giesler, betonte der Präsident von Metall Nordrhein-Westfalen, Arndt G. Kirchhoff: „Politik und Sozialpartner müssen mit gutem Beispiel vorangehen und dürfen nicht den Mut verlieren.“ Es sei „selbstverständlich weiterhin das Ziel der Unternehmen, die kompletten Belegschaften zu halten – da soll keiner von Bord gehen“.

Wie ist die Lage im Südwesten?

Die Spitzenvertreter in Baden-Württemberg waren nur am Rande eingebunden. Die Regelungen zur Aufzahlung bei Kurzarbeit sind im Südwesten seit vielen Jahren noch weitergehend tarifvertraglich geregelt. Selbst bei „Kurzarbeit null“ im Falle des Produktionsstopps – die auf viele Firmen zutrifft – bekommen die Beschäftigten mindestens 80,5 Prozent des normalen Monatsnettogehalts. Übernommen werden daher eher nur die Regelungen zur Unterstützung der Beschäftigten mit Kindern, die zu Hause betreut werden müssen. Der Verband Südwestmetall übt Kritik: er nehme den Abschluss „zur Kenntnis“. Angesichts einiger tariflicher Besonderheiten in Baden-Württemberg und einer massiven überproportionalen Betroffenheit der Unternehmen im Land aufgrund der Corona-Krise würden die Ergebnisse aus NRW detailliert geprüft und in den Gremien beraten. Dies werde noch einige Tage in Anspruch nehmen.

„Da in unserem Tarifgebiet die Kurzarbeitergeld-Aufstockung bereits tariflich geregelt ist und dies in der momentanen Phase eine große Belastung für unsere Unternehmen darstellt, müssen wir hier weitere Gespräche mit der IG Metall führen“, kündigte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf an. „Auch die fünftägige bezahlte Freistellung für die Beschäftigten können wir in diesem Zusammenhang nicht akzeptieren.“

Wie geht es weiter?

Nach Einschätzung von Jörg Hofmann werden ursprünglichen Themen weiter bestehen. „Ob sie nach der Pandemie vielleicht andere Antworten brauchen, würde ich entscheiden, wenn wir uns Ende des Jahres nähern.“ Im Oktober werde die IG Metall die Lage einschätzen, um sich rechtzeitig auf den Weg zu machen.