Von dem Pilotprojekt Telederm, das im Kreis Böblingen getestet wird, sollen Patienten mit Hauterkrankungen profitieren. Sie sparen sich Wartezeiten auf Termine beim Facharzt und erhalten schneller eine Diagnose.

Bondorf - Wenn der Verdacht auf Hautkrebs im Raum steht, wollen die Patienten des Allgemeinmediziners Ulrich Ikker schnell Klarheit. Mit einem Dermatoskop, das wie ein dicker Edding-Stift aussieht, macht Ikker ein hochauflösendes Foto von der veränderten Hautstelle. „Die Patienten wollen natürlich so schnell wie möglich wissen, ob es sich um ein Melanom handelt oder nicht“, sagt der Allgemeinmediziner, der die Praxis in Bondorf gemeinsam mit seiner Frau führt. Deshalb übermittelt er das Bild online und anonymisiert an einen der teilnehmenden Hautärzte, der über einen Zufallsgenerator ausgewählt wird. Die schriftliche Diagnose mit Therapieempfehlung erhält Ikker dann von dem Kollegen binnen 48 Stunden.

 

Die Praxis von Ulrich Ikker ist eine von insgesamt 50 Hausarztpraxen in den Kreisen Böblingen, Calw, Zollern-Alb und Rottweil, die sich an dem Pilotprojekt Telederm beteiligen. In Böblingen nehmen 15 Hausarzt- und elf Hautarztpraxen daran teil. Der Arzt sieht darin viele Vorteile: „Für mich bietet das Projekt eine Sicherheit, da ich meine Diagnose mit einem Hautarzt abgleichen kann.“ Den Patienten bleibe die Wartezeit auf einen Termin und die Fahrt zu einem weiteren Arzt erspart – was vor allem für ältere Menschen wichtig sei. Außerdem könne man schneller mit der Behandlung beginnen. Ein Allheilmittel, sagt Ikker, sei die Telemedizin nicht und sie ersetze auch nicht den direkten Kontakt zu den Patienten. „Das Abtasten und Untersuchen eines Patienten kann kein Computer übernehmen“, betont Ikker. Dennoch sehe er gute Chancen, auch auf anderen Feldern wie der Radiologie oder Kardiologie mit versendeten Bildern zu arbeiten.

Manche Patienten reagieren auf Telemedizin skeptisch

Zunächst richtet sich Telederm nur an Versicherte der AOK in Baden-Württemberg, soll aber bei Erfolg ausgeweitet werden. Initiiert hat das Projekt das Universitätsklinikum Tübingen, das mit einer Studie herausfinden will, ob es durch die Telemedizin weniger Überweisungen an Hautärzte gibt und die Wartezeiten reduziert werden. Ergebnisse werden Mitte 2020 erwartet. Nach rund acht Monaten praktischer Erfahrung mit der Telemedizin in seiner Praxis ist Ulrich Ikker bereits überzeugt: „Meine Patienten reagieren sehr offen und positiv auf diese Möglichkeit.“

Bei der AOK weiß man dagegen auch von Patienten, die der Telemedizin erst einmal skeptisch gegenüber stehen. „Wir müssen, wie in vielen anderen Bereichen auch, viel Aufklärungsarbeit leisten“, sagt Christian Kratzke, der Geschäftsführer der AOK Stuttgart-Böblingen. „Manchmal ist es wichtig, dass die Menschen Veränderung annehmen.“ Er ist überzeugt davon, dass künftig sowohl Patienten als auch Ärzte und Krankenkassen von der Telemedizin profitieren werden. Die Digitalisierung schreitet im Gesundheitssektor weiter voran, wenn auch nur langsam. „Man muss auch sicherstellen, dass der Datenschutz gewährleistet ist“, erklärt Kratzke. Als nächstes steht zum Beispiel die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an. Sie würde zumindest die Bearbeitung bei den Krankenkassen beschleunigen. „Dann könnte das Krankengeld auch schneller ausbezahlt werden“, sagt Kratzke. Außerdem sieht er bei routinemäßgen Untersuchungen ein weiteres Anwendungsgebiet für die Telemedizin. „Wenn Diagnose und Therapie erst einmal feststehen, müssen sich Patienten nicht mehr für jeden Routinecheck auf den Weg zum Arzt machen.“

Kassenärztliche Vereinigung setzt auf Docdirekt

Auch bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hofft man auf einige Verbesserungen durch die Telemedizin – beispielsweise beim Thema Hausärztemangel. „Wenn einige Patienten bereits online oder durch Video-Telefonie abgedeckt werden, werden ärztliche Kapazitäten frei“, sagt Kai Sonntag, der Sprecher der KV in Baden-Württemberg. Deswegen hat die Vereinigung mit Docdirekt in Stuttgart und Tuttlingen ebenfalls ein Modellprojekt auf den Weg gebracht, das den Patienten den Weg zur ersten Diagnose vereinfachen soll. Per App können sie sich mit ihren Beschwerden anmelden und bekommen dann einen Rückruf von einem Arzt.

Für eine Auswertung ist es bei beiden Projekten allerdings noch zu früh. Ulrich Ikker ist sich jedoch jetzt schon sicher: „Das wird die Zukunft sein.“