Die Pkw-Maut taucht seit Jahren im Sommerloch als Aufreger auf. Doch vier Wochen vor der Bundestagswahl hat der Vorstoß des grünen Verkehrsministers Hermann eine andere Tragweite. Tübingens OB Boris Palmer stellt sich hinter Hermann.

Stuttgart - Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist mit seinem Vorschlag einer umfassenden Pkw-Maut auch bei der SPD-Fraktion auf wenig Gegenliebe gestoßen. „Das klingt zwar verführerisch, ist aber nicht realisierbar“, sagte Verkehrsexperte Hans-Martin Haller am Montag in Stuttgart. Eine Mammutbehörde müsse alle Fahrten der Bürger erfassen, abrechnen und dabei dem Datenschutz genügen. Haller erinnerte an die Probleme bei der Installation der Systeme für die Lkw-Maut. „Das ist ein Thema für das Jahr 2050.“ Zunächst heiße es für die Politik, Prioritäten zugunsten der Infrastruktur zu setzen. Auch aus den eigenen Reihen und von der FDP und der CDU hatte Hermann Kritik geerntet.

 

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) stellte sich jedoch hinter Hermann. „Ich halte das für gut überlegt, vernünftig und auf lange Sicht auch für unausweichlich“, sagte Palmer der dpa. Deutschland brauche eine Maut, mit der man die Auslastung des Straßennetzes gezielt steuern könne. „Alle anderen Maut-Modelle haben den großen Nachteil, dass sie zwar Geld in die Kasse bringen, aber sonst nichts bewirken - oder wie die Autobahnmaut sogar schädlich sind, weil Lastwagen auf Landstraßen ausweichen.“

Hermann hatte im „Tagesspiegel am Sonntag“ für ein System plädiert, das die Maut je nach Tageszeit und befahrener Strecke staffelt. Palmer sagte, er verstehe die Kritik an Hermann nicht. „Manche meinen, dass man im Wahlkampf nicht nachdenken, sondern nur Parolen von sich geben sollte“, kritisierte er. So hatte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin am Wochenende betont, seine Partei sei gegen eine Pkw-Maut. „Nur weil der baden-württembergische Verkehrsminister meint, Geld zu brauchen, zocken wir nicht die Autofahrer ab“, hatte Trittin erklärt.

FDP hält den Vorschlag für wirtschaftsschädigend

Baden-Württembergs Grünen-Chef Chris Kühn sieht allerdings keinen Dissens zwischen Hermann und Trittin. Hermann habe sich im Rahmen seiner Arbeit in der Kommission der Landesverkehrsminister zur nachhaltigen Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur für eine satellitengesteuerte nutzungsabhängige PKW-Maut ausgesprochen, erläuterte Kühn. Im Bundestagswahlkampf werde nicht dafür geworben. „Aber man muss auch Debatten weit über den Tag hinaus führen.“ Kühn betonte, der Landesverband sei wie Hermann gegen eine Vignette wie etwa in Österreich, weil sie keine Steuerungswirkung habe.

Die FDP hält dagegen den Vorschlag für wirtschaftsschädigend. Er führe zu einem „Stasi-ähnlichen Überwachungs- und Ausforschungssystem“. CDU-Landeschef Thomas Strobl kritisierte Hermanns „maßlosen Plan, auf allen Straßen eine Maut einzuführen“. Er wolle den Menschen nur das Autofahren vergällen. Allerdings seien fünf Milliarden Euro zusätzlich seien für die Straßen notwendig. Dies könne über eine Maut nur auf Autobahnen oder den allgemeinen Haushalt geschehen. „Die Maut ist ja nur ein Mittel, nicht das Ziel.“ Damit stellt sich der Landesverband gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die einer Maut skeptisch gegenübersteht.