Im Festspielhaus Baden-Baden hat Plácido Domingo als Verdis Simone Boccanegra begeistert – auch mit 78 Jahren muss er noch nicht an seinen Abschied denken.

Stuttgart - „Der Tag, an dem ich von der Bühne abtreten werde, ist ziemlich nahe“: Diese Aussage ist verbucht, sie ist mittlerweile 14 Jahre alt, und am Dienstagabend hat Plácido Domingo das ausverkaufte Festspielhaus in Baden-Baden zum Jubeln gebracht, indem er sich selbst wieder einmal Lügen strafte. Ja, er hat wieder gesungen, mit kaum glaublichen 78 Jahren und mit einer Stimme, die an diesem Abend bis auf kurze Momente im ersten Akt von Giuseppe Verdis Oper „Simone Boccanegra“ so jung, so unverbraucht und so klar fokussiert klang, dass man dem Titelhelden sein finales Ableben gar nicht recht abnehmen wollte. Auf dieser Charakterpartie, der Verdi viele Gesangsstrecken und viele Duette, aber keine einzige wirkliche Arie anvertraute, hat der Tenor-Weltstar Domingo den zweiten Teil seiner Karriere aufgebaut, die ihn stimmlich an seine Anfänge zurückführt: Als Bariton hat der in Mexiko aufgewachsene Spanier vor mittlerweile sechs Jahrzehnten professionell zu singen begonnen, und jetzt steht Plácido Domingo, der männlichste und stabilste der legendären drei Tenöre, wieder als Bariton auf der Bühne. Er ist wirklich immer noch da.