Laut einem Gutachten ist der Mann, der im Juni 2020 in Winnenden seine Frau mit einem abgebrochenen Flaschenhals attackierte, voll schuldfähig.

Stuttgart/Winnenden - Eine stark blutende Wunde am Kopf, tiefe Einschnitte am Oberarm, weitere Schnitte am Finger der linken Hand und eine Schwellung am Hals: Die rechtsmedizinische Gutachterin zählt die Verletzungen der Geschädigten auf. Der Noch-Ehemann der 34-Jährigen soll sie am 25. Juni 2020 im Schulzentrum Albertville in Winnenden angegriffen haben.

 

Die Verletzungen sind nicht akut lebensgefährlich

Sercan D. (Name geändert) soll auf seine Frau eingeschlagen und getreten haben, sie gewürgt und mit einem abgebrochenen Flaschenhals auf sie eingestochen haben. Vier jungen Passanten zwischen 17 und 21 Jahren gelang es nur mit Mühe, den Mann von seinem Opfer zu ziehen. Wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung muss sich Sercan D. vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Akut lebensgefährlich waren die Verletzungen des Opfers laut der Gutachterin nicht. Da der Angeklagte mit der Flasche auf Kopf und Hals zielte, nahm er den Tod seiner Gattin aber in Kauf.

Das Motiv für den Gewaltexzess sollen laut Staatsanwaltschaft Rachegelüste gewesen sein, da die Frau ihrem Noch-Gatte das Besuchsrecht für die gemeinsamen acht Kinder im Alter von drei bis 18 Jahren verweigert haben soll. Bereits zwei Tage vor dem Angriff im Berufszentrum soll der Bauarbeiter seine Frau in der Garage ihrer Wohnung gewürgt haben.

Angeklagter sagt, er habe 15 Bier getrunken

Laut eigener Aussage hatte Sercan D. vor der Tat im Albertville-Zentrum innerhalb weniger Stunden fünfzehn Bier getrunken. Bei dem Alkoholtest nach seiner Verhaftung ein paar Stunden nach dem Vorfall wies der Angeklagte allerdings nur einen Alkoholwert von 1,4 Promille auf. Nach der Rechnung der Gerichtsmedizinerin konnte er während der Tat höchsten 1,8 Promille im Blut gehabt haben. Bei 15 Bieren müsste er auf mindestens 4,0 Promille gekommen sein.

Vor Gericht kam auch ein psychologischer Gutachter zu Wort. Er stellte Sercan D. zwar eine Neigung zum Alkohol aus, aber keine Abhängigkeit. Der Angeklagte soll zwar wegen Stress in der Familie zur Tatzeit an depressiven Symptomen gelitten haben – er zündete wenige Wochen vor seinem Angriff sein Auto an und sprach gegenüber seinem Sohn von Selbstmord – seine Einsichtsfähigkeit sah der Gutachter aber nicht beeinträchtigt. Auch habe Sercan D. nicht im Affekt gehandelt. Der Angeklagte ist laut Gutachten also voll schuldfähig.

Dieser Einschätzung folgte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Der Angeklagte habe die Tat geplant, seiner Frau aufgelauert und eine zerbrochene Flasche als Waffe mit sich getragen. Er sei durch den Alkohol zwar enthemmt, aber nicht steuerungsunfähig gewesen. Die Zeugen hatten keine Ausfallerscheinungen bei ihm wahrgenommen. Sercan D. habe seine Frau bestrafen wollen, da sie ohne ihn leben wollte. Der Staatsanwalt forderte für das Würgen in der Garage und den Angriff im Schulzentrum eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten. Dazu solle der Angeklagte in eine Entziehungsanstalt eingewiesen werden.

Die Anwältin spricht von einem Kontrollverlust

Die Anwältin des Angeklagten plädierte auf eine Haftstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Sie gab zu bedenken, dass ihr Mandant durch eine situationsbedingte Überforderung durch die familiäre Situation einen Kontrollverlust erlitten habe. Ob er die Flasche mit Vorsatz zerbrochen habe, ließe sich zudem nicht beweisen. Das Urteil wird am 23. März erwartet.