Die Besucherzahlen der Galerie sind durchwachsen. 2010 soll eine Ausstellung zum Passionszyklus von Holbein die Menschen in die Galerie locken.

Stuttgart - Drei große Pfeiler sollen das Ausstellungsprogramm der Stuttgarter Staatsgalerie 2010 tragen. Der Höhepunkt des Kunstjahres steht Baden-Württembergs führendem Museum für den Herbst ins Haus, wenn mit der "Grauen Passion" von Hans Holbein dem Älteren einer der berühmtesten Bildzyklen zwischen Spätmittelalter und Renaissance in seinem historischen Kontext betrachtet wird. Bereits ab März bekommen Kunstfreunde in umfangreicher Auswahl die Sammlung Max Fischer zu sehen, nannte der 1975 verstorbene Stuttgarter Unternehmer doch maßgebliche Werke aus dem Expressionismus und der Bauhauszeit sein Eigen. Im Sommer dann feiert die Grafische Sammlung ihren zweihundertsten Geburtstag mit der Sonderschau "Nur Papier, und doch die ganze Welt".

Über diese drei zentralen Ereignisse sowie über weitere aktuelle Entwicklungen informierten der Direktor der Staatsgalerie, Sean Rainbird, und sein kaufmännischer Geschäftsführer Hans-Thomas Schäfer an ungewohntem Ort. Nicht im Stirling-Bau hatte man zur Jahrespressekonferenz geladen, sondern im frisch bezogenen Gebäude der Rudi Häussler Jugend-Stiftung.

Das Haus an der Urbanstraße beherbergt nun die Räume der Kunstvermittlung, bald findet hier zudem das Archiv der Staatsgalerie eine neue Heimat. Schäfer saß zum letzten Mal bei einer Jahrespressekonferenz auf dem Podium, da er die Staatsgalerie zum September verlässt. Sein dann auslaufender Vertrag werde nicht verlängert. Wieso? "Sowohl auf eigenen Wunsch wie auf Wunsch des zuständigen Ministeriums", sagt Schäfer.

Durchwachsene Bilanz


Die Zahlen, die Rainbirds scheidender Oberbuchhalter verkündete, klangen nur auf den ersten Blick erfreulich: 193.000 Kunstfreunde fanden 2009 in die ständige Sammlung, fast 80.000 mehr als im Vorjahr. Nachdem die halbjährige Phase des von Sponsoren finanzierten freien Eintritts im Juni 2009 auslief, ebbte der kurzfristig angeschwollene Besucherzustrom indes wieder ab. Würde man die restlichen Monate aufs ganze Jahr umrechnen, erhielte man (für die Sammlung) Zahlen, die nur geringfügig über dem mauen Ergebnis von 2008 lägen.

Durchwachsen blieb auch die Bilanz der Sonderausstellungen. Immerhin, die Henri-Matisse-Parade von 2008/09 war mit 117.000 Gästen ein klarer Erfolg. Dagegen erfüllte die jetzt zu Ende gehende Retrospektive von Edward Burne-Jones trotz des überwiegend positiven Presseechos nicht ganz die Erwartungen der Kuratoren. Insgesamt lockten die mythologischen Traumwelten des Präraffaeliten nur 40.000 Interessierte in die Staatsgalerie.

Angesichts der aktuellen Finanzlage in Land und Welt drängt sich die Frage auf, ob die nahe Zukunft wirklich besser werden kann. Von öffentlicher Seite, so Schäfer, habe es bisher keine Abstriche bei den Geldern gegeben, das Holbein-Projekt könne als Landesschau gar mit einem Extra rechnen. Anders dagegen die Lage an der Sponsorenfront: Einige private Förderer hätten krisenbedingt "eine Pause" eingelegt, wie sich Rainbird ausdrückte. Obendrein hat der Direktor weiter einstellungspolitische Altlasten aus der Ära seines Vorgängers als Klotz am Bein. Bis 2012 dürfen frei werdende Stellen nicht neu besetzt werden. Verstärkung bekam das Team nur durch eine aus Sondermitteln bezahlte Halbtagsstelle für die Herkunftsforschung.

Die Stuttgarter Kunstszene gerät im Vergleich zu München oder Frankfurt ins Hintertreffen


Trotz dünner Personaldecke wird im Stirling-Bau zweifellos engagiert gearbeitet. Dafür spricht etwa das interdisziplinäre Forschungsvorhaben zu Friedensallegorien der frühen Neuzeit oder auch die Digitalisierung des Bildbestandes, die enorme Fortschritte macht. Dennoch: die wichtigsten Faktoren in der Außendarstellung eines Museums bleiben die Sonderausstellungen. Hier verhindern hohe Transport- und Versicherungskosten derzeit wohl große Sprünge. Nicht nur bei der Jubiläumsschau der Grafischen Sammlung beschränkt sich Rainbird auf Hauseigenes. Auch die erwähnte Sammlung Fischer lagert als Dauerleihgabe bereits unter seinem Dach und kann deshalb kaum als echte Sonderausstellung durchgehen.

Auswärtige Kunstwerke von namhaftem Rang erwartet man erst wieder für die Holbein-Schau. Doch allein ein überregionales Ausstellungszugpferd pro Jahr entspricht nicht dem Rang der Staatsgalerie, die das museale Flaggschiff eines vergleichsweise noch wirtschaftsstarken Bundeslandes ist. Die Stuttgarter Kunstszene gerät hinter Städten wie Frankfurt und München ins Hintertreffen.