Fünf Baugenossenschaften, die Verwaltung und die Politik wollen am Ehrlichweg rund 100 Wohnungen bauen. Die Pläne wurden bereits 2013 vorgestellt und abgelehnt. Auch jetzt sammelt der Bürgerverein eifrig Unterschriften gegen die geplante Nachverdichtung.

Fasanenhof - Neulich musste so mancher den Eindruck haben, als hinge er in einer Zeitschleife fest. In ihren Briefkästen fanden einige Fasanenhofer eine Einladung zu einer Infoveranstaltung, der sie beiwohnen sollten. Das Thema: Die Nachverdichtung am Ehrlichweg. Ein Zusammenschluss aus nicht weniger als fünf Baugenossenschaften wollte seine Pläne erläutern. Doch sind die im Grunde genommen nicht neu, sondern zwei Jahre alt. 2013 jedenfalls wurden sie aufgrund eines breiten Widerstandes fallen gelassen. Nun versucht sie ein noch breiteres Bündnis erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Es geht um viel, nämlich um 100 neue Wohnungen mit einem Investitionsvolumen von rund 25 Millionen Euro.

 

Heute wohnt man anders als in den 60er-Jahren

Im Westen des Fasanenhofs, wo der Stadtteil an die Autobahn grenzt, stehen links und rechts des Ehrlichwegs lang gezogene Wohnblöcke, wie sie in den 60er-Jahren vielerorts gebaut wurden. Das Areal wird zudem überschattet von einem Hochhausriegel im selben architektonischen Duktus. Und wie damals üblich, sind die Grünflächen zwischen den Gebäuden großzügig gestaltet, mit viel Wiese und mal mehr, mal weniger Bäumen oder auch dem obligatorischen Sandkasten für spielende Kinder. Gebaut wurde das seinerzeit von mehreren Genossenschaften.

Namentlich sind das die Flüwo und die GWF-Wohnungsgenossenschaft, beide mit Sitz in Degerloch, die Baugenossenschaft Friedenau mit Sitz in Möhringen sowie die Postbaugenossenschaft und die VdK-Baugenossenschaft. Und auf den ihnen gehörenden Wiesen und einem Teil der oberirdischen Garagenanlagen würden sie nun gerne 15 neue, zumeist dreigeschossige sogenannte Punkthäuser bauen, also Würfel.

„Ein Großteil unseres Bestandes entspricht nicht mehr dem Stand der Technik“, sagt Rainer Böttcher, der Vorstand der Flüwo. Zwar würden die Gebäude immer wieder saniert und auch mal ein Aufzug nachträglich eingebaut, aber heute wohnt man eben anders. Doch ist neuer Baugrund in Stuttgart teuer, und Baugenossenschaften sind eher nicht bekannt dafür, horrende Mietpreise verlangen zu wollen. „Preiswertes Wohnen können wir nur auf unseren eigenen Grundstücken realisieren“, sagt Böttcher. Denn wer nachverdichtet, muss schließlich keinen einzigen Cent für den Kauf der Fläche bezahlen.

Pläne wurden 2013 bereits abgelehnt

Dieses Kalkül überzeugte nicht nur Böttchers Kollegen, sondern auch die Verwaltung. „Die Stadt unterstützt uns auf allen Ebenen bis hin zum Oberbürgermeister“, sagt der Flüwo-Chef. „Und wenn das nicht gegeben wäre, würden wir das gar nicht verfolgen. Aber bei der Entwicklung auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt muss man da noch einmal nachdenken dürfen.“

Er spricht damit die Abfuhr an, die die Baugenossenschaften mit just eben jenen Plänen bereits vor zwei Jahren erhalten haben. Der Widerstand vor Ort war 2013 groß, der Bezirksbeirat lehnte die Pläne ab, und schließlich schloss sich auch der Gemeinderat dieser Meinung an. Letzterer scheint neuerdings aber seine ablehnende Haltung aufgegeben zu haben. Im Februar jedenfalls gaben die Stadträte grünes Licht für eine neuerliche Bürgerbeteiligung.

„Das soll ein ergebnisoffener Prozess sein“, sagt der Bezirksvorsteher Jürgen Lohmann eher süffisant. Denn so recht dran glauben kann der Möhringer Schultes nicht. Jedenfalls soll die Materie bei drei Terminen im Oktober – einer Auftaktveranstaltung und zwei Planungswerkstätten – mit den Bürgern besprochen werden. Es scheint, als ginge es dabei nur noch um Details und nicht um Grundsätzliches.

Dazu passt, dass das Stadtplanungsamt sich bereits in Stellung gebracht hat und für 2016 Mittel in Höhe von 60 000 Euro beantragt. Ein Teil der Flächen gehört nämlich auch der Stadt, die ebenfalls Interesse an einer Entwicklung hat. Wo sich früher die Außenstelle der Fasanenhofschule befand, könnten ebenfalls Wohnungen entstehen oder auch eine Kita. Und ein Wettbewerb soll das nächstes Jahr klären, so als wäre die Bebauung schon entscheiden.

Anwohner wollen keine weitere Bebauung

Wie nicht anders zu erwarten war, formiert sich bereits der erneute Widerstand. „Wir möchten keine weitere Nachverdichtung“, sagt Günther Joachimsthaler, der Vorsitzende des Bürgervereins auf dem Fasanenhof. An der Kurt-Schumacher-Straße und dem Solferinoweg seien in der Vergangenheit schon vergleichbare Konzepte umgesetzt worden. Und auch der Europaplatz wurde neu gebaut. „Mehr wollen wir nicht.“ Weniger Grün und mehr Verkehr, das passe nicht zusammen. „Wir haben schon genug Benachteiligung durch den Lärm von Autobahn und Flughafen.“ Eine entsprechende Unterschriftenliste werde herumgehen. Bereits mehrere hundert Menschen unterzeichneten.

Die örtliche CDU kritisiert den neuerlichen Vorstoß in einem Brief an den Oberbürgermeister Fritz Kuhn. „Ruft man sich die damalige Diskussion ins Gedächtnis, und sieht man sich heute wieder mit den Plänen aus dem Jahr 2013 konfrontiert, so stellt sich die Frage, wieso und ob eine Nachverdichtung heute akzeptabler sein kann“, heißt es in dem Papier. „Bürgerbeteiligung mag dort sinnvoll sein, wo es noch keine Meinungsbildung gab. Aber sicherlich nicht dort, wo man sich bereits mit dem Ansinnen der Verwaltung beschäftigt hat.“

Erwin Grimme, der persönliche Referent von Baubürgermeister Matthias Hahn, der Anfang September von Peter Pätzold beerbt wird, betont dennoch die Ergebnisoffenheit. „Wir wissen, dass es schon damals Widerstände gab“, sagt er. „Letztlich entscheidet aber der Gemeinderat.“ Dass dieser den Prozess mit seiner Entscheidung im Februar erst ermöglicht hat, führt er auf die neue Zusammensetzung des Stadtparlaments zurück. Wahlweise auch auf die Tatsache, dass man seinerzeit so kurz vor den Wahlen kein heißes Eisen mehr anfassen wollte.