Hans-Peter Kastner hat seinen Markt im Gebiet Unterer Grund in Stuttgart-Vaihingen. Seit dem 1. August verkauft er keine Einwegflaschen aus Plastik mehr. Der Erfolg gibt ihm recht.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Den Kasten mit den leeren Mehrwegflaschen aus Glas in den Händen kommt Günter Wörner in den Getränkemarkt. „Sie sehen doch, es ist kein Problem“, sagt der 80-Jährige mit einem Lachen. Auf die Frage, seit wann er Glasflaschen kaufe, antwortet er: „Seit 60 Jahren. Ich bin seit Jahrzehnten umweltfreundlich.“ Für ihn sei nie etwas anderes in Frage gekommen. Man müsse sich eben ein bisschen Mühe machen, aber dann sei vieles möglich. Der Vaihinger ist schon lange Stammkunde im Getränkemarkt Kastner. „Aber seitdem hier auf Plastik-Einwegflaschen verzichtet wird, bin ich es umso mehr“, sagt der Senior.

 

An diesem Donnerstagmorgen ist viel los in dem kleinen Markt im Gebiet Unterer Grund. Doch es sind nicht nur Kunden, die ihre Einkaufswagen durch die Gänge schieben. Es sind auch Journalisten. Die Bild-Zeitung und ein Fernsehteam des SWR sind vor Ort und drängen sich um den Marktinhaber Hans-Peter Kastner. Fast möchte man meinen, dass er den Medienrummel schon gewöhnt sein müsste. Denn seitdem er am 17. Juni einen offenen Brief ins Internet stellte, ist er in ganz Deutschland bekannt. In diesem forderte Kastner dazu auf, der Umwelt zuliebe auf Einwegflaschen aus Plastik zu verzichten. Die Resonanz war überwältigend, und sie war positiv. Darum fasste der Unternehmer den Entschluss, vom 1. August an in seinem Markt ganz auf die umweltschädlichen Flaschen zu verzichten. Nun ist die Stunde der Wahrheit gekommen, darum sind an diesem Morgen so viele Medien vor Ort.

Der Stuttgarter Getränkehändler hat mittlerweile schon viele Interviews gegeben

Während das Fernsehteam Kastner das Mikrofon ansteckt und die Kamera bereit macht, raucht der Familienvater noch schnell eine Zigarette. Ein seltenes Bild, ein bisschen aufgeregt scheint er zu sein, trotz der vielen Interviews, die er schon gegeben hat. Dennoch ist Kastner noch immer ganz er selbst. Gekleidet in Turnschuhe, Jeans und einem schwarzen T-Shirt mit einem provokativ-witzigen Spruch hat er für jeden ein Lächeln, schüttelt Stammkunden die Hände und nimmt sich Zeit für einen kleinen Plausch. „Ich habe heute Morgen um halb sieben angefangen. Ich habe schon etwas vorgearbeitet, weil ich wusste, was kommt“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Doris Wilkins-Knoll befürwortet Kastners Vorstoß. „Ich habe die Medienberichte verfolgt, und ich finde gut, was Herr Kastner macht“, sagt sie. In ihrem Einkaufswagen stehen nur Kästen mit Mehrwegflaschen aus Glas. So habe sie es schon immer gemacht, betont die Vaihingerin. Nur im Notfall greife sie mal auf eine Plastikflasche zurück, zum Beispiel auf einer Autofahrt, da seien ihr Glasflaschen zu gefährlich. Auch sonst versuche sie, den Plastikmüll zu reduzieren. „Aber das ist schwierig. Die Hygiene- und Verpackungsvorschriften für die Läden sind eng. Da müsste sich was ändern“, findet sie.

Lange Transportwege machen jede gute Ökobilanz kaputt

Kastner hat es geschafft. „Wir sind schon seit mehr als einer Woche plastikfrei“, sagt er nicht ohne Stolz. Es sei gar nicht so leicht gewesen, die Restbestände noch loszuwerden. „Die Kunden haben uns leere Plastikflaschen zurückgebracht und Mehrweg-Glasflaschen mitgenommen.“ Natürlich gebe es nach wie vor kritische Stimmen. Am häufigsten höre er, dass Glas einfach zu schwer sei. Doch für Kastner ist das nur eine Ausrede aus Bequemlichkeit. „Wir haben viele Alternativen. Es gibt zum Beispiel auch Kästen mit nur sechs Flaschen. Die sind auch nicht schwerer als die normalen Gebinde mit Einweg-Plastikflaschen.“

Mehrweg-Plastikflaschen gibt es im Getränkemarkt Kastner nach wie vor. Die seien nicht unbedingt schlechter als Mehrwegflaschen aus Glas, sagt Kastner. „Entscheidend ist die Regionalität“, sagt er. Lange Transportwege seien schlecht für die Umwelt. Darauf weist der Händler in seinem Markt auch mit Schildern hin.

Der Getränkehändler hat auch neue Kunden hinzugewonnen

Als Kastner Mitte Juni seinen offenen Brief ins Netz gestellt hat, hatte er große Sorgen, dass dieser Vorstoß ihn wirtschaftlich ruinieren könnte, dass die Kunden diesen Weg nicht mitgehen und ihn künftig meiden würden. Ein wenig sei diese Angst auch noch immer da. „Aber ich bin mittlerweile optimistisch, dass sich die Zahl der Kunden, die wir verlieren, in Grenzen hält“, sagt er. Beim Lieferservice seien etwa drei Prozent abgesprungen.

Dafür hat Kastner aber auch einige neue Kunden hinzugewonnen. Einer von ihnen ist Christoph Krause. „Glasflaschen habe ich schon immer gekauft, aber hier bin ich erst zum zweiten Mal“, sagt der Mann aus Ostfildern. Er habe Kastners offenen Brief im Internet gelesen. Er wolle verhindern, dass der Händler wegen seines Aufrufs zum Plastikverzicht Kunden verliere und schließen müsse. „Darum bin ich hier. Der Markt liegt auf meinem Weg zur Arbeit. Mit seiner Einstellung hat Herr Kastner mich als neuen Kunden gewonnen“, sagt Christoph Krause.