Der Pokal hat bekanntlich seine eigene Gesetze – und das Zweitrundenspiel des VfB Stuttgart beim HSV mit dem Ligaspiel vom vergangenen Samstag überhaupt nichts gemein. Auf die 2:6-Pleite folgte ein 2:1-Sieg nach Verlängerung.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Hamburg - Drei Minuten brauchte Hamadi Al Ghaddioui auf dem Weg ins Glück. Nach 110 Minuten eingewechselt, nach 113 Minuten sein Team im DFB-Pokal eine Runde weiter geschossen: Der Angreifer war mit seinem gekonnten Schuss aus der Drehung in bester Torjägermanier der Mann des Spiels beim 2:1(1:1)-Sieg des VfB Stuttgart gegen den Hamburger SV. Und hatte entscheidenden Anteil daran, dass dem Zweitligisten die Revanche für die 2:6-Pleite in der Liga geglückt war. „Wenn dir kurz vor Schluss der Lucky Punch glückt, gibt das einen extra Schub“, jubilierte Abwehrspieler Gonzalo Castro nach umkämpften 120 Minuten.

 

Der VfB stoppt den freien Fall

Nach drei Niederlagen in Folge kann der VfB den freien Fall stoppen und dem kommenden Spiel gegen Dynamo Dresden (Sonntag, 13.30 Uhr) etwas gelassener entgegensehen. Vor allem gerät Trainer Tim Walter aus der Schusslinie, der sich mit seinem Spielsystem zuletzt angreifbar gemacht hatte. „Wir haben zuletzt schön auf die Fresse bekommen“, sagte Walter. „Heute haben wir gezeigt, dass wir Respekt verdient haben.“ Sportdirektor Sven Mislintat ergänzte: „Das war eine gute Antwort auf die berechtigte Kritik in den vergangenen Tagen.“

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Vor dem Anpfiff veränderte Walter seine Mannschaft wieder einmal in größerem Stil. Castro ersetzte den zuletzt indisponierten Linksverteidiger Emiliano Insua, der nicht einmal mehr im Kader stand. Anstelle von Stürmer Silas Wamangituka übernahm Santiago Ascacibar einen Platz im Mittelfeld, im Tor bekam Ersatzmann Fabian Bredlow die Chance, sein Können unter Beweis zu stellen. Was aber nur einen Pokal-Wechsel bedeutete. Wenig überraschend rückte der in der Liga noch gesperrte Holger Badstuber in die Innenverteidigung.

Santiago Ascacibar geht im Strafraum zu energisch zur Sache

Und legte vor 45 000 Zuschauern gleich gut los. Sein erster langer Ball brachte Philipp Förster frei vor HSV-Schlussmann Daniel Heuer Fernandes in Position. Wo er von Gideon Jung von den Beinen geholt wurde. Nicolas Gonzalez verwandelte den Foulelfmeter (2.). Ein Start nach Maß für die Stuttgarter, die so früh im Spiel in dieser Saison noch nie in Führung lagen. Lange währte der Vorsprung aber nicht. Allzu übereifrig setzte Santiago Ascacibar im Strafraum zur Grätsche an und bescherte den Gastgebern ihrerseits einen Strafstoß. Aaron Hunt ließ sich nicht bitten – 1:1 (16.).

Es war gleich wieder mächtig was los im Volksparkstadion im zweiten Teil des Gipfeltreffens der Zweitligisten. Das 6:2 vom Samstag hatte beim letzten Bundesliga-Dino für entsprechende Hochgefühle gesorgt. Während es die Mannschaft von Tim Walter in die Krise stürzte.

VfB-Trainer Tim Walter setzt auf eine neu formierte Abwehr

Davon war am Dienstag nicht mehr viel zu spüren. Anders als zuletzt fing sich die VfB-Elf nach dem Gegentor schnell wieder. In der neu sortierten Abwehr ohne Insua und Maxime Awoudja, dafür mit Badstuber und Castro sicher und vorne mit ein paar ansehnlichen Aktionen – so traten die Gäste den Gastgebern entgegen.

Vor allem ergötzten sie sich nicht mehr am Dauer-Kurzpassspiel. Die Spielanlage bedächtig statt ungestüm, mit langen Bällen als Mittel der Wahl. Ein Stilelement, das dem 43-jährigen Fußballlehrer eigentlich gar nicht behagt – in Hamburg sorgte es immer wieder für Gefahr. Genauso wie Eckbälle und Freistöße, die zu den größten Torchancen durch Castro, Nicolas Gonzalez und Badstuber führten.

Die VfB-Fans sehen ein anderes Gesicht ihrer Mannschaft

Insofern bekamen die 4000 mitgereisten Fans in Weiß und Rot, von denen sich viele ein paar schöne Tage in der Hansestadt gemacht haben, ein anderes Gesicht ihrer Mannschaft zu sehen. Die nach einer ausgeglichenen ersten Halbzeit nach dem Wiederanpfiff das Spiel mehr und mehr an sich riss. Der HSV, so schien es, hatte beim 6:2-Feuerwerk sein Pulver verschossen. Oder nicht mehr die allergrößte Motivation für das Pokalspiel aufgebracht.

Kaum etwas brachten die Schützlinge von Dieter Hecking in der Offensive zustande, und weil auch dem VfB auf dem holprigen Rasen außer zwei Torschüssen durch Ascacibar (65.) und Silas Wamangituka (80.) nicht mehr viel gelingen wollte, ging es in die Verlängerung. Wo sich viele Fans sagten: Zweimal 90 Minuten HSV-VfB hätten es auch getan. Es passierte kaum mehr etwas – bis Wamangituka nach einer Einzelaktion erst den Pfosten traf, ehe Al Ghaddioui auftauchte und seinen großen Auftritt hatte. „Ein unbeschreibliches Gefühl“, freute sich der Joker, „das Tor tut mir sehr gut und wird der Mannschaft viel positive Energie geben.“

So zieht der VfB also ins Achtelfinale des DFB-Pokals ein, das am 4./5. Februar ausgetragen wird. Obendrein darf er sich über eine Prämie von 702 000 Euro freuen – und darüber, dass die Niederlagenserie endlich gestoppt ist.