Der FC St. Pauli hat vor dem Pokalduell am Mittwoch beim VfB Stuttgart mit zahlreichen Problemen zu kämpfen. Der Zweitligist liegt weit hinter den eigenen Erwartungen zurück. Lediglich die Fans sind unerschütterlich.

Hamburg - Michael Frontzeck hat wohl richtig gelegen bei der Wahl seines neuen Arbeitgebers. Das hat er spätestens bei seinem Heimdebüt gegen Dynamo Dresden am Sonntag gemerkt. Der FC St. Pauli hatte in der ersten Hälfte so gespielt, als bräuchte das Team nach zwei Wochen schon den nächsten Trainer. Doch dann trat genau das ein, weswegen der frühere VfB-Spieler Frontzeck so überzeugt war von seinem neuen Club. Statt zu pfeifen, feuerten 20 000 Fans das verunsicherte und 0:2 zurückliegende Team weiter an.

 

Und mit dem 1:2 direkt vor der Pause durch Fabian Boll ging ein Ruck durch die Mannschaft. Der Kapitän Boll hat diesen Ruck noch verstärkt, indem er die Kollegen vor dem Weg zur Umkleidekabine noch einmal auf dem Rasen versammelte und sagte: „Pauli hat schon ganz andere Spiele herumgerissen.“ Am Ende siegten die Hamburger mit 3:2. Die Generalprobe für das DFB-Pokalspiel heute beim VfB Stuttgart war also gerade noch einmal gutgegangen.

Boll ist quasi der Trainer auf dem Spielfeld. Und er ist mit Ausnahme von dem Ersatztorhüter Benedikt Pliquett der einzige Überlebende aus der Saison 2005/2006, als der FC St. Pauli als Drittligist bis in das Halbfinale vordrang und erst vom FC Bayern München (0:3) gestoppt wurde. Boll ist deshalb auch der Experte, der am besten weiß, wie man eine neue Sensation schaffen könnte. Man sei in Stuttgart krasser Außenseiter, aber das liege seinem Club ja, sagt er. Sein empfohlenes, wenn auch für die Fußballfans nicht gerade reizvolles Rezept: „Wir müssen den Schwaben den Schneid abkaufen und ihnen den Spaß am Fußball nehmen.“ Das bedeute: „Kompakt stehen und Nadelstiche setzen.“

Der Kommissar ist die einzige Triebfeder im Spiel

Der 33 Jahre alte Kriminaloberkommissar Boll, der kürzlich ein Buch über seine Karriere am Rande der Reeperbahn veröffentlichte („Das Herz von St. Pauli“), hat auch sonst alles mitgemacht, was der Kiezclub zuletzt erlebte: Zweitligaaufstieg (2007), Erstligaaufstieg (2010), Erstligaabstieg (2011) und knapp verpasster Wiederaufstieg (2012). Aber er ist auch der letzte große St. Paulianer, der noch immer eine Triebfeder ist im Spiel des Zweitligisten.

Marius Ebbers, 34, der bisher 99 Zweitligatore erzielt hat, wirkt inzwischen eher wie ein ehemaliger Torjäger und muss zunehmend auf die Bank. Florian Bruns, 33, hat ebenfalls immer mehr Probleme mit dem Tempo. Und die größten Talente, mit denen St. Pauli noch im Frühjahr um die Rückkehr in die Bundesliga kämpfte, sind nicht mehr da. Sie spielen mit Ausnahme von Moritz Volz (1860 München) da, wo St. Pauli am liebsten wieder hinmöchte – in der Bundesliga: Max Kruse stürmt jetzt für den SC Freiburg, Carlos Zambrano verteidigt für Eintracht Frankfurt, Lasse Sobiech für die SpVgg Greuther Fürth.

Überhaupt hat sich eine Menge geändert am Millerntor. Nicht nur, weil der Trainer nicht mehr Mister St. Pauli, also Holger Stanislawski, heißt und auch nicht André Schubert, der vor knapp vier Wochen von Frontzeck abgelöst wurde. Der Managerstuhl wird inzwischen nicht mehr vom Alt-Paulianer Helmut Schulte besetzt, sondern von Rachid Azzouzi.

Die Hoffnung ruht auf zwei Ex-Dortmundern

Doch die Liebe zum Stadtteilclub hat nicht gelitten, eher im Gegenteil. Mit einer Fananleihe (sechs Prozent Zinsen) hat der FC St. Pauli kürzlich acht Millionen Euro eingenommen. Mit diesem Geld soll das neue Trainingszentrum und das Jugendinternat bezahlt werden. Auch das Millerntorstadion ist keine Bruchbude mehr. Dort sind inzwischen drei stattliche Tribünen gewachsen.

Doch die erneuerte Mannschaft hat noch nicht die Qualität der vergangenen Jahre. Die dazugeholten Talente wie Kevin Schindler, der vom VfB Stuttgart ausgeliehene Patrick Funk oder der von Hannover geleaste Christopher Avevor sind in ihrer Entwicklung ebenso stehen geblieben wie die Eigengewächse Dennis Daube und Jan-Philipp Kalla. Der von Werder Bremen erworbene Stürmer Lennart Thy ist seit Wochen verletzt. So bauen die Hamburger in der Regel auf zwei Dortmunder: den Nachwuchstorjäger Daniel Ginczek, 21, der gegen Dresden den Siegtreffer erzielte aber in Stuttgart ausfällt, sowie den erfahrenen Florian Klinge. Der 30-Jährige darf sich immerhin Deutscher Meister nennen. Er spielte in der vergangenen Bundesligasaison exakt 13 Minuten für die Borussia.