Das Vorgehen von Donald Trump Jr. stellt bei Weitem nicht den ersten Fall da, in dem versucht wurde, Schmutz über einen politischen Gegner auszugraben. Im Zuge des bitteren US-Präsidentschaftsrennens 2016 hat sich die sogenannte Opposition Research in eine Industrie verwandelt.

Washington - In Washington nennt man sie „opposition research“ - die Suche nach belastenden Informationen über potenzielle oder tatsächliche politische Rivalen. Es gibt sie in den USA seit Jahr und Tag, oft beginnt sie schon lange, bevor das Kandidatenfeld in einem Wahlkampf eigentlich steht. Dass der Präsidentensohn Donald Trump Jr. eifrig auf ein Angebot angesprungen ist, schädliche Informationen über Hillary Clinton in Erfahrung zu bringen, ist somit an sich nicht außergewöhnlich. Was die Sache pikant macht, ist die Quelle, die er anzuzapfen hoffte: eine russische Anwältin.

 

Wonach gesucht wird

Schlicht nach allem Möglichen - von etwaigen polizeilichen Unterlagen über eine Trunkenheitsfahrt bis hin zu Aufzeichnungen von früheren Äußerungen eines Kandidaten. Alles, was in eine negative Storyline über einen Opponenten passt, bevorzugt eine, die auf Zweifeln aufbaut, die Wähler schon über die betreffende Person haben.

Wer es macht

Bis vor zehn Jahren war das noch eher ein Seitenprojekt in Wahlkämpfen. Im Vorfeld des Präsidentschaftsrennens 2016 hat sie sich zu einer Multimillionen-Industrie entwickelt: Reiche Spender sahen darin einen perfekten Weg, ihr Geld einzusetzen.

„Einige Leute haben die Vorstellung, dass da dubiose Leute in Müllcontainern wühlen“, sagt Colin Reed, Berater der Gruppe America Rising, die Republikaner unterstützt. „Aber seit ein paar Jahren werden diese Untersuchungen von den meisten Wahlkampagnen als genauso bedeutend eingestuft wie Aktionen, um die Menschen zum Wählen zu bewegen und mit ihnen zu kommunizieren.“

America Rising hat im Frühjahr 2013 damit begonnen, Hillary Clinton genau zu beobachten und auszuleuchten. Auf demokratischer Seite fing die Gruppe American Bridge schon 2011 damit an, mehr als ein Dutzend potenzielle republikanische Präsidentschaftsbewerber für 2016 im Auge zu behalten - lange, bevor das vorausgegangene Rennen ums Weiße Haus überhaupt vorbei war.

Mit wachsender Bedeutung des Geschäfts haben sich Dutzende weitere Oppo-Unternehmen entwickelt. Manche sind als politische Aktionskomitees registriert, das heißt, die Öffentlichkeit kann sehen, wer für sie spendet und wie das Geld verwendet wird. Viele andere sind private Unternehmen oder sogar gemeinnützige Gruppen, die ihre Finanzen unter dem Radar halten. Deshalb mögen reiche Spender sie auch so sehr.

Wie die Infos gesammelt werden

Die Schmutzsuche ist deutlich leichter geworden, seitdem Smartphones allgegenwärtig geworden sind. Oppo-Gruppen und die Wahlkampflager selber setzen sogenannte Tracker ein, die jede Bewegung, jede Äußerung ihres politischen Opponenten verfolgen und alles dokumentieren, was sie können.

Ein Beispiel dafür, wie es erfolgreich funktioniert: Die Gruppe American Bridge setzte 2012 einen Tracker auf den republikanischen Senatskandidaten in Missouri, Todd Akin, an, der mitbekam, wie sich der Bewerber in einer örtlichen Sendung über „legitime Vergewaltigung“ äußerte. Die Gruppe gab den Clip an Medien weiter. Akin erholte sich von diesem Schlag nie.

Oppo-Forscher durchforsten alle Art von Dokumenten nach jedem Fitzel an Informationen, die Wähler interessant finden könnten. Reed zufolge entfällt der größte Teil der Untersuchungen auf öffentlich zugängliche Unterlagen. Auf diese Weise wurde im Vorwahlkampf 2008 zutagegefördert, dass sich der demokratische Präsidentschaftsbewerber John Edwards einen 400 Dollar teuren Haarschnitt geleistet hatte - was einen Kandidaten, der sich als Vertreter des „Mannes auf der Straße“ verkaufen will, nicht gerade gut aussehen lässt.

Ein Berater des Wahlkampfteams von Barack Obama offenbarte später, dass er die Info den Medien zugespielt hatte. Ausgegraben wurde sie von einem Oppo-Forscher: Er hatte sie in Unterlagen über Edwards’ Wahlkampffinanzen entdeckt.

Was mit den Informationen geschieht

Manchmal werden sie in „attack ads“ verwendet, in aggressiver Fernsehwerbung, die sich gegen einen Kandidaten richtet. Oder man gibt sie an Journalisten weiter, in der Hoffnung auf kostenlose Publicity. Es kommt Reed zufolge mittlerweile auch zunehmend häufig vor, dass die Informationen via soziale Medien direkt an die Wähler gelangen. So hat etwa America Rising Videoaufnahmen im Internet gepostet.

Wo die Grenzen liegen – oder auch nicht

Das Präsidentschaftsrennen 2016 war extrem verbittert, auch schon der Vorwahlkampf mit 16 republikanischen Bewerbern und einem äußerst liberalen Senator und einer Veteranin des Establishments auf demokratischer Seite. Diese Faktoren haben zu der bisher aggressivsten „Oppo Research“ geführt. Manche meinen, dass dabei bisweilen auch die Grenze des Legalen überschritten wurde - mit dubiosen Anschuldigungen, die niemals durch Namen oder Fakten untermauert wurden.

Und nun ist da die Enthüllung, dass Donald Trump Jr. im Juni 2016 mehr als bereit war, eine russische Quelle für mutmaßlich belastende Informationen über Hillary Clinton in Anspruch zu nehmen. Stuart Stevens, 2012 der Stratege des damaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, fasst all das in einem Satz zusammen: „Das alles ist total verrückt.“