Angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen und der drohenden weiteren Verschärfung der Vorschriften werden auch in der Kommunalpolitik digitale Sitzungen immer wichtiger. Aber funktionieren die überhaupt? Beispiele von den Fildern.

Filder/Stuttgart - Eben noch hatten die Filderstädter Stadträte über das neue Redaktionsstatut fürs Amtsblatt diskutiert, dann ist der Bildschirm schwarz: „Der Livestream ist offline“, ist zu lesen. Und so wartet man als Zuschauer, und wartet und wartet, bis nach einer Dreiviertelstunde die Übertragung der Gemeinderatssitzung aus der Filharmonie wieder funktioniert. Man habe technische Schwierigkeiten gehabt, so die Auskunft später, und das deutliche Signal: Das soll nicht noch einmal passieren.

 

Just in derselben Sitzung haben die Stadträte einstimmig eine neue Fassung der Hauptsatzung der Gemeindeordnung verabschiedet. Die wichtigste Änderung – neben beispielsweise einer geschlechtersensiblen Sprache in den Formulierungen – ist diese: „Nach Entscheidung des*der jeweiligen Vorsitzenden können . . . Sitzungen des Gemeinderats, der beschließenden Ausschüsse und des Jugendgemeinderats ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum durchgeführt werden.“

Die Kommunen müssen ihre Hauptsatzungen ändern

Konkret heißt das: Digitale Sitzungen, die über Videokonferenzen, Telefonkonferenzen und Livestreams im Internet abgehalten werden, sind künftig möglich. Die Gemeindeordnung, nach der sich Filderstadt zu richten hat, ist bereits im Mai 2020, während den ersten Monaten der Corona-Pandemie, diesbezüglich geändert worden. Allerdings war es notwendig, dies auch in der Filderstädter Hauptsatzung zu verankern, um auch künftig rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Aktuell gilt eine Übergangsregelung, die Ende des Jahres ausläuft.

Bereits im Sommer hatte die Verwaltung in Filderstadt einen Livestream auf der Internetseite der Stadt eingerichtet, über den Gemeinderatssitzungen verfolgt werden konnten. Die Stadträte selbst tagen in der Filharmonie, mit den gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln. Auch Ausschusssitzungen können nun so abgehalten werden. Jüngst hat die erste Verwaltungsausschusssitzung digital stattgefunden: Alle Mitglieder des Gremiums waren über ihre Laptops in einer Videokonferenz zugeschaltet.

„Das hat gut geklappt“, resümierte auch Dennis Birnstock (FDP) im Gemeinderat, allerdings kritisierte er, dass es keinen Livestream gab. Bürger oder Pressevertreter, die die Sitzung verfolgen wollten, mussten ins Bürgerzentrum Bernhausen, um dort die Sitzung auf einem Bildschirm zu verfolgen. „Das sollten wir künftig anders machen, nämlich komplett digital.“ Soll heißen: Alle – Stadträte, Bürger, Presse, Mitglieder der Verwaltung, der Oberbürgermeister, die Bürgermeister – werden von zu Hause zugeschaltet. Dies bedeutet aber auch, dass die Kommune dafür Sorge tragen muss, dass die Technik funktioniert – ohne Unterbrechungen.

Der Gemeinderat, nicht die Verwaltung, muss entscheiden

So weit ist man in Leinfelden-Echterdingen noch nicht. Am 15. Dezember steht die nächste Präsenz-Sitzung in der Leinfelder Filderhalle an – mit 13 Tagesordnungspunkten in der öffentlichen Sitzung – inklusive Haushaltsreden. Die Teilnehmer sitzen an Einzeltischen mit einem Mindestabstand von eineinhalb Metern. Eine moderne Lüftungsanlage sorgt für den nötigen Luftaustausch. Die Kommune ist damit keine große Ausnahme. Bisher haben laut Innenministerium nur wenige Gemeinden in Baden-Württemberg Tempo gemacht in Sachen digitales Debattieren. Die meisten Stadträte zogen für ihre Sitzungen lediglich in größere Räume um.

Doch auch der Gemeinderat von Leinfelden-Echterdingen wird am 15. Dezember wohl seine Hauptsatzung ändern, sodass digitale Sitzungsformate künftig rechtlich zulässig sind. Vom zuständigen Ausschuss gab es dafür bereits Zustimmung. Fraktionsübergreifend war man der Meinung, dass dieser Schritt angesichts der aktuellen Corona-Lage richtig sei, für manchen war er sogar überfällig.

Auch wenn man sich in Leinfelden-Echterdingen schon zweimal auf Probe an digitale Sitzungen herangewagt hat, ist laut Bürgermeister Carl-Gustav Kalbfell unklar, wie es weitergehen soll. An diesem Montag will man sich hinter verschlossenen Türen verständigen, ob sich fortan Stadträte, Verwaltungsmitglieder, Bürger und Presse nur noch digital treffen, oder ob es weiter Präsenzsitzungen geben wird, zu denen sich diejenige, die Bedenken haben oder gerade in Quarantäne sind, vom heimischen Rechner zuschalten können. „Der Gemeinderat, nicht die Verwaltung, muss entscheiden, wie und wo er tagen will“, sagt Kalbfell. Und: „Eine Veränderung muss von allen gewollt sein.“ Schließlich sei eine echte Debatte mit Aktion, Reaktion und Emotionen etwas ganz anderes als Videokonferenzen.

Oft fehlen noch die technischen Voraussetzungen

Nicht nur Gemeinderäte, auch die Stuttgarter Bezirksbeiräte machen sich auf den Weg ins digitale Zeitalter. Allen voran Vaihingen. In der vergangenen Woche hatten die Lokalpolitiker zum ersten Mal eine Hybridsitzung. Allerdings mussten sie dafür ins Stuttgarter Rathaus. Denn im Bürgerforum gibt es dafür nicht einmal eine ausreichende Internetverbindung. Kai Jehle-Mungenast zieht nach der Veranstaltung ein positives Fazit. „Auch wer sich von zu Hause aus zugeschaltet hatte, wurde wahrgenommen und fühlte sich wahrgenommen“, sagt der Vaihinger Bezirksvorsteher. Er habe ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen.

Zur Regel werden digitale Bezirksbeiratssitzungen aber nicht. Jehle-Mungenast verweist sowohl auf die Hauptsatzung, die dies in Stuttgart noch nicht hergebe, als auch auf fehlende technische Voraussetzungen in den üblichen Sitzungssälen. Dennoch will sich Vaihingen auf den Weg machen und Pilot-Stadtbezirk beim Thema Digitalisierung werden. Ein entsprechender Antrag steht am Dienstag, 15. Dezember, auf der Tagesordnung. Die Sitzung, Beginn 18 Uhr, findet aber noch ganz altbacken im Bürgerforum statt.