Obwohl die Rücklage der Rentenversicherung einen neuen Höchststand erreicht, haben profitieren davon Beschäftigte und Arbeitgeber nicht. Die große Koalition schiebt Entlastungen auf die lange Bank.

Berlin - Die Reserven der Deutschen Rentenversicherung haben Ende Juni den höchsten Stand seit drei Jahren erreicht. Nach Informationen unserer Zeitung betrug die Nachhaltigkeitsrücklage im Juni 34,3 Milliarden Euro. Das entspricht 1,6 Monatsausgaben der Rentenversicherung. Grund für die gute Finanzlage sind steigende Löhne und Beschäftigung, die zu einem kräftigen Wachstum der Beiträge führen. Doch Arbeitnehmer und Unternehmen profitieren von den vollen Sozialkassen kaum. Union und SPD wollen die Finanzlage dafür nutzen, um Leistungen auszuweiten: Die Mütterrente und die Erwerbsminderungsrente sollen erhöht und das Rentenniveau auf jetzigem Stand stabilisiert werden. Zudem ist eine Obergrenze für den Beitragssatz geplant. Darüber hinaus werden Geringverdiener bei Sozialabgaben entlastet, ohne Einbußen bei den Rentenansprüchen hinnehmen zu müssen.

 

Die Wirtschaft will neu rechnen

Nach Berechnungen der Wirtschaftsverbände wird das Rentenpaket erheblich teurer als bisher bekannt. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte die zusätzlichen Kosten für die Rentenversicherung bis 2025 auf rund 30 Milliarden Euro beziffert. Dies dürfte nicht reichen. Die Wirtschaft will demnächst neue Berechnungen präsentieren. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), forderte Beitragssenkungen. „Eine Senkung des Rentenbeitrags wäre möglich, wenn die Koalition auf die teuren Leistungsausweitungen in der Rentenversicherung verzichten würde“, sagte Kampeter unserer Zeitung. In dem Gesetzentwurf zum Rentenpaket, den Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) Mitte Juli vorgelegt hat, beziffert das Ministerium den finanziellen Spielraum: Der Rentenbeitrag könnte zum 1. Januar 2019 von zurzeit 18,6 auf auf 18,3 Prozent sinken, wenn es beim geltenden Rentenrecht bliebe. Das entspräche immerhin einer jährlichen Entlastung um knapp vier Milliarden Euro. Ohne Rentenpaket bliebe der Beitrag laut Gesetzentwurf bis 2022 stabil. „Falls das Rentenpaket in dieser Form umgesetzt wird, dürfte es künftig kaum noch zu Beitragssenkungen kommen – das Rentenpaket bedeutet massive Mehrbelastungen für Beitragszahler“, sagte Kampeter.

Union für stärkere Entlastung

Die Koalition diskutiert über die Möglichkeit, den Beitrag in anderen Bereichen der Sozialversicherung zu senken. Arbeitsminister Heil kündigte an, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag im nächsten Jahr um 0,3 Prozent zu senken. Das reicht der Union nicht aus. Gleichzeitig sollen die Beiträge in der Pflegeversicherung um 0,3 bis 0,5 Prozent steigen. Peter Weiß, rentenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hält eine Senkung in der Arbeitslosenversicherung von 0,5 bis 0,6 Prozent für machbar. „Die sind locker drin“, sagte Weiß. Selbst bei einer kräftigen Entlastung könne die Arbeitsagentur auf Rücklagen von mehr als 20 Milliarden Euro zurückgreifen.

– Entlastungen Fehlanzeige