Der Wirtschafts- und der Innenminister attackieren Google und fordern eine strengere Regulierung. Ein EU-Kompromiss zu kommerziellen Suchergebnissen wackelt. Doch der mäßige Erfolg des deutschen Leistungsschutzrechts mahnt zur Skepsis.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Google hat nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Recht auf Vergessen angeblich mit einer Flut aufgestauter Wünsche nach der Löschung von Suchergebnissen zu kämpfen – das meldete jedenfalls die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). Doch nun dräut neues Ungemach. Eigentlich schien im Februar ein heftiger Streit zwischen Google und der EU-Kommission um die Präferenzen bei Suchergebnissen so gut wie ausgeräumt. Google gestand damals zu, dass bei Suchergebnissen zu Restaurants, Hotels und anderen Produkten nicht nur die eigenen Dienste hervorgehoben werden, sondern auch die Angebote von mindestens drei Wettbewerbern prominent dargestellt werden. Die Nutzer sollen künftig genau wissen, welche Links Google selbst vermarktet. Der EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia lobte damals die nach zähen Verhandlungen zustande gekommene Vereinbarung; „Ich glaube, dass diese Vorschläge auf die Bedenken der EU-Kommission eingehen.“

 

Seither weht dem US-Internetgiganten der Wind noch schärfer ins Gesicht. Eine große europäische Allianz von 400 Unternehmen, die ihre Geschäfte durch die Praktiken des Suchmaschinenbetreibers gefährdet sieht, versucht diese Übereinkunft, die nach dem Sommer in Kraft treten kann, zu torpedieren. Der Widerstand reicht von Verlagsunternehmen, die protestieren, dass Google ihre Inhalte kostenlos ins Netz stellt, bis zu Netzbetreibern und Verbraucherverbänden. Auch in der EU-Kommission wird der Kompromiss kritisiert – etwa von Energiekommissar Günther Oettinger.

Auch der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat sich nun in einem Meinungsbeitrag für die FAZ für ein energischeres Vorgehen gegen die Marktmacht des US-Konzerns ausgesprochen. „Wirtschaftsministerium und Bundeskartellamt prüfen, ob Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht“, schreibt Gabriel in der FAZ. „Eine Entflechtung, wie sie bei Strom- und Gasnetzen durchgesetzt wurde, muss dabei ernsthaft erwogen werden.“ Der CDU-Innenminister Thomas de Maizière schlägt im „Handelsblatt“ in die gleiche Kerbe: „Wir haben in der Finanzkrise wieder gelernt, dass es den Primat der Politik gibt. Das gilt ebenso für die Welt des Internets.“ Das Bundeskartellamt zeigte sich am Freitag skeptisch. „Verboten ist nicht die Größe eines Unternehmens, sondern der Missbrauch von Marktmacht“, sagte dessen Präsident Andreas Mundt.

Die Regierungsmitglieder stehen für die vor allem in Deutschland in den vergangenen Monaten immer heftiger gewordene Kritik an Google. Aufsehen erregte beispielsweise auch Mathias Döpfner, der Chef des Springer-Verlags, der im April von einem „globalen Netzmonopol“ sprach. „Wir haben Angst vor Google“, schrieb er in einem offenen Brief – obwohl Springer in Deutschland eine besonders konsequente Online-Strategie verfolgt.

Eine wenige Tage davor gestartete Charmeoffensive des Google-Verwaltungsratschefs Eric Schmidt ließ Döpfner ins Leere laufen. Der Google-Chef hatte davor gewarnt, den Medienmarkt zu stark zu regulieren. Geschützt würden damit nur die etablierten Unternehmen. Zugleich bot Schmidt Partnerschaften bei der Werbevermarktung an – und nannte dabei ausdrücklich eine Kooperation mit dem Springer-Konzern.

Das deutsche Leistungsschutzrecht konnte Google nicht stoppen

Wie schwer es aber ist, etwa die Interessen von Inhalteanbietern gegen die Internet-Suchmaschine zu verteidigen, zeigt die Geschichte des sogenannten Leistungsschutzrechts. Dieses sollte verhindern, dass sich Suchmaschinen kostenlos urheberrechtlich geschützter Beiträge bedienen, um sie in ihrem eigenen Nachrichtenangebot zu präsentieren – etwa auf Google News. Doch noch vor der Verabschiedung im vergangenen Jahr wurde der Entwurf stark abgeschwächt. Die Darstellung von kleinen Textbestandteilen bleibt auch in diesem Rahmen weiterhin erlaubt. Normale Suchergebnissen sollten von der Regelung unberührt bleiben. Pikanterweise war es damals Google gelungen, die Empörung der Öffentlichkeit mit zu mobilisieren. Unter anderem der Chaos Computer Club, die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung, der Bundesverband der Deutschen Industrie sowie die Jugendorganisationen aller Parteien wandten sich gegen das Leistungsschutzgesetz, weil sie um die freie Information fürchteten.

Bisher hat kaum ein Anbieter von der Lizenzierungspflicht Gebrauch gemacht. Google drehte nämlich den Spieß um: Die Verlage müssen sich melden, wenn sie ihre Inhalte weiter einstellen wollen. Auf Geld müssen sie aber ausdrücklich verzichten. „Die große Mehrheit der deutschen Verlage hat sich dafür entschieden und uns damit bestätigt, dass ihnen Google News echten Mehrwert bringt“, sagt ein Sprecher. Wie die Rechte künftig doch durchgesetzt werden sollen, ist offen. Die meisten Medienunternehmen dürften die Aufgabe an kollektive Verwertungsgesellschaften wie die VG Wort oder die VG Medien abtreten.