Auch in der Pandemie haben Multiplikatoren dafür geworben, beim Bürgerhaushalt mitzumachen. Eine von ihnen ist Patricia Sadoun aus Stuttgart-Süd. Für sie geht es um Transparenz und Beteiligung. Doch es gibt ein Problem.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

S-Süd - Es ist ein Hilferuf. „Wir brauchen dringend Verstärkung“, schreibt der Arbeitskreis Stuttgarter Bürgerhaushalt in einer E-Mail. Man sei zu einer kleinen Gruppe zusammengeschmolzen. Die ehrenamtliche Arbeit laste auf wenigen Schultern. Patricia Sadoun, die als Multiplikatorin unter anderem für Kaltental zuständig ist, ergänzt: „Wir sind noch zu viert, einst waren wir etwa 15.“ Sadoun ist Französin und in Nordafrika aufgewachsen. Seit 1971 wohnt sie in Deutschland. Doch erst viele Jahre später habe sie angefangen, sich richtig mit der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Und dazu gehört für sie ehrenamtliches und politisches Engagement.

 

2016 habe sie einen Aufruf im Amtsblatt gelesen, dass Multiplikatoren für den Bürgerhaushalt gesucht werden. Sie habe darin eine Möglichkeit gesehen, „dieses Land von innen heraus kennzulernen und zu verstehen“.

Und dieser Plan ging auf. „Ich habe in diesem Arbeitskreis gelernt, wie Stadt funktioniert, wie die Ämter miteinander verstrickt sind“, beschreibt sie ihren persönlichen Nutzen. Sie habe erkannt, warum manche Dinge lange dauern und andere gar nicht gehen. Sie habe eingesehen, dass manches schlicht nicht möglich sei, zum Teil mangele es aber auch an der Kommunikation. „In der Stadt müssen alle zusammenarbeiten, aber sie kennen sich viel zu wenig“, findet Patricia Sadoun. Und diese Erkenntnis gelte eben nicht nur für das Verhältnis zwischen Verwaltungsspitze, Kommunalpolitikern und Mitarbeitern der Ämter, sondern auch für das Verhältnis zu den Bürgern, der Zivilgesellschaft. „Der Bürgerhaushalt ist eine kleine, bescheidene Möglichkeit, die Stadt transparenter zu machen“, sagt Patricia Sadoun. Darum ist er ihr so wichtig, darum engagiert sie sich, und darum will der Arbeitskreis neue Mitglieder gewinnen. Für Patricia Sadoun ist der Bürgerhaushalt ein Stück Basisdemokratie.

Die stillen Gruppen liegen ihr besonders am Herzen

Als Multiplikatorin ist sie in Kontakt mit Schulen, Vereinen, Pflegeheimen – mit allen Institutionen, wo Menschen zusammenkommen – und stellt den Bürgerhaushalt vor. Sie wirbt fürs Mitmachen, sie berät beim Einbringen von Vorschlägen und beim Sammeln von Stimmen. Ihr Ziel ist es, dass jeder seinen Wunsch artikulieren kann und das bestmöglichste Ergebnis dafür erzielt. Besonders am Herzen liegen ihr dabei die stillen Gruppen, die sich sonst vielleicht kaum am gesellschaftlichen Leben beteiligen. „Sie sollen sich gesehen und wertgeschätzt fühlen.“

Der Bürgerhaushalt dürfe kein Instrument der Verwaltung werden

Wegen der Pandemie waren persönliche Kontakt in diesem Jahr nicht möglich. Der Arbeitskreis musste auf Online-Veranstaltungen umstellen. Diese seien anfangs sehr gut besucht gewesen. Man habe interessierte Leute erreicht und viele Fragen beantworten können. Zur großen Masse aber habe man diesmal keinen Zugang gehabt. Ihren Optimismus lässt sich Patricia Sadoun davon aber nicht nehmen. „Ich bin gespannt, wie viele Vorschläge letztlich gemacht wurden, und wie viele Bewertungen und Kommentare es gab“, sagt sie. Das werde derzeit ausgewertet.

Für die Zukunft wünscht sie sich vor allem mehr Multiplikatoren im Arbeitskreis. Das Ziel seien so viele Leute, dass jeder sich auf einen oder zwei Bezirke konzentrieren könne. „Dann könnte man den Bürgerhaushalt zu einem Instrument machen, mit dem man viel bewegen könnte. Und wir als Arbeitskreis hätten auch ein ganz anderes Gewicht gegenüber der Verwaltung und der Kämmerei. Derzeit haben wir die Sorge, dass man uns irgendwann ganz abschafft. Und dann wäre der Bürgerhaushalt nur noch ein Instrument der Verwaltung. Der Bürgerhaushalt soll aber von Bürgern für Bürger sein.“