Nach einem Strom- und Rechnerausfall im November warnte der LKA-Präsident das Innenministerium, dass sich dies wiederholen könne. Die Stromleitungen im Amt seien nach etwa 50 Jahren marode.

Der Inhalt des Briefes war ähnlich heiß wie die überhitzten Rechner und Server des Landeskriminalamtes. In dem Schreiben zählt LKA-Chef Andreas Stenger dem Landespolizeipräsidium die Fakten auf: Kurzschluss, in einer der teilweise mehr als 40 Jahre alten, maroden Hauptstromleitungen seiner Behörde. Das Notstromaggregat sprang – wenn auch mit Verzögerung – an und verhinderte offenbar Schlimmeres: den Ausfall des Rechenzentrums, auf das landesweit Polizeidienststellen zugreifen, um polizeiliche Informationen über Menschen und Fahrzeuge abzufragen. Der Chefkriminaler warnte nach einem Stromausfall im November 2022 davor, dass sich das alles wiederhole. Er schlug kurzfristige Maßnahmen vor, mit denen die Gefahr gebannt werden könnte, sich die Situation fürs Erste konsolidieren ließe. Auch das für die Landesimmobilien zuständige Amt Vermögen und Bau wurde informiert. Das aber braucht einen Auftrag des Ministeriums.

 

61 Tage später war die vorhergesagte Wiederholung da – schlimmer als im Herbst: Am vergangenen Mittwoch sorgte ein weiterer Kurzschluss an einem Transformator nicht nur für Dunkelheit bei den Kriminalern. Die Notstromversorgung war überlastet, die Computer im Rechenzentrum liefen heiß, Rauchschwaden waberten durch den Keller des Amtes. Das Rechenzentrum, landesweit ein Herzstück für den polizeilichen Arbeitsalltag, war ausgefallen.

Filmplakat: „LKA has fallen“

Allenfalls eingeschränkt konnten Polizisten landesweit auf das sogenannte POLAS-System zurückgreifen – der Datenbank „Polizeiauskunftssystem“, mit deren Hilfe Ordnungshüter erfahren, ob eine kontrollierte Person als gefährlich einzuschätzen ist oder ob nach ihr gefahndet wird. Auch der E-Mail-Verkehr der Polizisten war gestört. Die reagierten schnell sarkastisch auf den Vorfall. Kurzerhand wurde das Plakat des Actionstreifens „London has fallen“ – „London ist gefallen“ – mit den Köpfen von Innenminister Thomas Strobl (CDU), LKA-Präsident Stenger und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) versehen, der Filmtitel in „LKA has fallen“ verändert.

Das Technische Hilfswerk THW lieferte kurzfristig zwei Notstromaggregate, mit denen die defekten Leitungen überbrückt wurden. Die wesentlichen Bereiche im Rechenzentrum wurden wieder hochgefahren – mit Problemen. In etlichen Polizeipräsidien produzierten die Einsatzleitsysteme massenhaft falsche Statusmeldungen der Streifenwagen. Die regionalen Lagezentren wurden von Einsatzmeldungen überflutet, die sich in der Zeit des Rechnerausfalls angestaut hatten. Bis zum Montag dauerte die Störung im Rechenzentrum an, am Dienstag noch beim Kriminaltechnischen Institut und der Cybercrime-Abteilung.

Mehr Ermittler, mehr Technik, überforderte Leitungen

1978 wurde das Gebäude des LKA in der Stuttgarter Taubenheimstraße in Betrieb genommen. Eine Zeit, als Ermittler ihre Berichte noch mit Schreibmaschinen tippten. Die damals verlegten Stromleitungen waren keinesfalls für den Betrieb von Computern und Servern ausgelegt. Damals eine Zukunftstechnologie, deren Bedeutung für den polizeilichen Alltag kaum jemand absah. Das LKA wuchs seitdem. Mehr Ermittler, mehr Technik, vor allem Rechner und Rechnerleistung. Die Energiefresser, wie hochmoderne Laborausstattungen, wurden über immer mehr zusätzliche Stromleitungen versorgt, bis auch der letzte Kabelkanal vollgestopft war. Das bauliche Ende ist längst erreicht, das der technischen Entwicklung lange noch nicht. Die Hauptleitungen sind überfordert. Bürozimmer werden als Labore genutzt. Und dies alles ist mit Zentralcomputern vernetzt.

Dabei ist die Gefahr des in die Jahre gekommenen Systems seit Jahren bekannt: Im Zusammenhang mit der Diskussion um den Aufbau der umstrittenen Cybersicherheitsagentur mahnte der damalige LKA-Präsident Ralf Michelfelder vor vier Jahren, stattdessen in „die Modernisierung der Infrastruktur für das Rechenzentrum“ zu investieren. Ein Ruf, den die Opposition aufnahm: Minister Strobl kanzelte deshalb FDP-Mann Daniel Karrais und Sascha Binder von der SPD im Innenausschuss ab. Die Landesregierung, die gerne damit wirbt, die Polizei bekomme, was sie brauche, baute stattdessen ihr Prestigeprojekt Cybersicherheitsagentur auf.

Darum ist auch bezeichnend: Auf einen umfangreichen Fragenkatalog unserer Zeitung zum Ausfall des Rechenzentrums reagierte die sonst engagiert auf das positive Image von Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz bedachte Pressestelle nicht. Minister Strobl soll am Mittwoch zum Thema auf Antrag von FDP und SPD öffentlich im Innenausschuss des Landtages berichten.