Ein 20-Jähriger aus Fellbach wird vom Waiblinger Amtsgericht wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt – auch ohne ein solches veranstaltet zu haben. Was steckt dahinter?

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen/Fellbach - Den Nachmittag an jenem Donnerstag im März hat er statt in der Online-Sitzung des Studiums bei einem Kumpel verbracht und dabei mindestens einen Joint konsumiert. Das räumt der heute 20-Jährige vor dem Waiblinger Amtsgericht ein. Ebenso, dass er sich danach in den auf seine Mutter zugelassenen Kleinwagen gesetzt hat und damit – zum Teil mit überhöhter Geschwindigkeit – durch ein Fellbacher Wohngebiet nach Hause gefahren ist.

 

Polizei nimmt die Verfolgung auf

Die Polizisten, die ihn in einem Streifenwagen gefolgt waren, habe er hingegen erst wahrgenommen, als ihn diese vor der Haustür der elterlichen Wohnung abpassten. Dass sie ihn stoppen wollten, sei nicht zu erkennen gewesen. Auch der Polizeimeister-Anwärter, der den Vorfall als Zeuge jetzt vor Gericht schilderte, gab zu, kaum noch in Sichtkontakt gewesen zu sein, als er bei der Verfolgung des Kleinwagens das Blaulicht eingeschaltet habe.

Die Streife hatte an jenem Abend an der Kappelbergstraße Stellung bezogen und dort stichprobenartig Autofahrer kontrolliert. Erst nachdem der Kleinwagen – bis dahin eher unauffällig – an dem Polizeiauto vorbeigefahren war, beschlossen die Beamten, diesem hinterher zu fahren. Warum, wurde der Polizist vor Gericht nicht gefragt, aber wenig später stellte sich heraus, dass die Streifenbesatzung wohl keinen so schlechten Riecher gehabt hatte: Denn der Kleinwagenfahrer, der in ein Wohngebiet abgebogen war, drückte deutlich zu kräftig aufs Gaspedal, war etwa mit Tempo 70 unterwegs, wo 30 erlaubt war. Mindestens 60 Stundenkilometer hatte er wohl auf dem Tacho, als er durch einen verkehrsberuhigten Bereich fuhr.

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Obwohl in der Verhandlung vor dem Amtsgericht weder von der Anklage noch vom Richter die Rede davon war, dass der Angeklagte wissentlich versucht habe, vor der Polizei zu entkommen, wurde er letztlich, wie in der Anklage formuliert, wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens verurteilt. Denn jener Paragraf ist nicht nur eingeführt worden, um „klassische“ illegale Wettrennen zwischen zwei oder mehreren Verkehrsteilnehmern zu ahnden, sondern auch Fahrzeugführer zu bestrafen, die sich „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ fortbewegen, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“.

Richter: Es hätte was passieren können

Der 20-Jährige sei „ständig um einiges bis deutlich zu schnell“ unterwegs gewesen, resümierte der Richter, Armin Blattner, und habe sich dabei zumindest abstrakt sehr gefährlich verhalten. „Sie hatten Glück, dass zu der Zeit niemand unterwegs war, aber es hätte wunder was passieren können.“ Außerdem hätte ihm klar sein müssen: „Drogen und Straßenverkehr passen nicht zusammen.“ Weil er in seiner Entwicklung noch nicht als Erwachsener zu beurteilen gewesen sei, wurde Jugendstrafrecht angewandt: Der 20-Jährige, der mittlerweile eine Ausbildung begonnen hat, muss eine Geldauflage von 500 Euro an die Verkehrswacht Rems-Murr begleichen. Außerdem muss er noch mindestens zehn Monate auf seinen Führerschein verzichten und einen Termin bei einer Drogenberatungsstelle nachweisen.