Mit Gewalt und List brechen am Niederrhein zwei Insassen aus einer geschlossenen Anstalt für Straftäter aus. Durch eine Geisel gelangen sie in Freiheit. In Aachen kommt es zu einem tödlichen Schuss.

Bedburg-Hau/Aachen - Tödliches Ende einer Flucht: Zwei Straftäter fliehen aus der Psychiatrie in Bedburg-Hau, setzen sich in den Wagen eines Pflegers und fahren nach Aachen. Nach dpa-Informationen stammen die beiden von dort. Als sie in der Stadt von der Polizei verfolgt werden, bedrohen sie nach Polizeiangaben eine unbeteiligte Frau auf einem Schulgelände. Bei der Festnahme sei es zur Schussabgabe gekommen, sagt Polizeisprecher Andreas Müller am Dienstagabend: „Einer der beiden Täter erlag trotz notärztlicher Maßnahmen seinen Verletzungen.“ Die Geschichte beginnt am Vorabend in der forensischen Psychiatrie Bedburg-Hau.

 

Es ist schon später Abend, als am Montag zwei Patienten der forensischen Psychiatrie in Bedburg-Hau Küchenmesser in die Hand nehmen und einen Pfleger bedrohen. Einen zweiten Pfleger schließen sie ein, dann zwingen sie ihre Geisel, die Außentür unter einem erfundenen Vorwand öffnen zu lassen. „Sie haben ihn genötigt, der Pforte Bescheid zu sagen, er müsse jetzt mal in den Außenbereich, um Müll zu entsorgen“, erzählt Polizeisprecher Ingo Schankweiler. Der Plan geht auf. Wenig später sitzen die beiden im Auto des Pflegers und flüchten. Ihre Geisel lassen sie vor der Klinik stehen. Sie gelten als gewaltbereit.

Wegen Raubdelikten verurteilt

38 und 43 Jahre alt sind die beiden ausgebrochenen Patienten. Sie waren laut Polizei wegen Raubdelikten verurteilt worden. Seit Oktober beziehungsweise Dezember 2019 waren sie in der forensischen Klinik. Dort werden im sogenannten Maßregelvollzug unter hohen Sicherheitsmaßnahmen psychisch kranke und suchtkranke Straftäter untergebracht, die schuldunfähig oder vermindert schuldfähig sind. Einzelheiten über die Taten der beiden und die genauen Gründe für ihre Unterbringung in Bedburg-Hau teilen die Behörden am Dienstag nicht mit.

Der zurückgelassene Pfleger schlägt sofort Alarm. Auch der eingesperrte Kollege konnte sich inzwischen befreien und ruft die Polizei. Beide Klinikmitarbeiter sind unverletzt geblieben, stellt sich später heraus. Sofort beginnt eine groß angelegte Fahndung. Ein Hubschrauber durchkämmt die Dunkelheit. Zehn Streifenwagen der Klever Kreispolizei und die Kripo sind an der Suche beteiligt. „Alles, was wir auf der Straße hatten, war eingebunden“, sagt eine Sprecherin. Allein, der Wagen bleibt zunächst verschwunden.

Suche mit Hochdruck

Am Dienstagnachmittag wird er dann von einem Zeugen im etwa 150 Kilometer entfernten Aachen entdeckt. Die Polizei bittet in einer Mitteilung die Bevölkerung, den Notruf 110 zu anzurufen, wenn einer der als gefährlich eingestuften Männer gesehen wird. Mit Hochdruck wird im Raum Aachen gesucht.

Am Abend entdecken die Beamten dann die beiden Männer. Der Hergang der Festnahme nach Schilderung der Polizei: Eine unbeteiligte Frau wird kurzzeitig bedroht, es fällt ein Schuss und einer der beiden Männer wird schwer verletzt. Weitere Details zu den Vorgängen in Aachen werden zunächst nicht bekannt. Jetzt ermitteln die Staatsanwaltschaft Aachen und aus Neutralitätsgründen die Polizei Mönchengladbach.

Träger der forensischen Klinik ist der Landschaftsverband Rheinland. Nach Angaben einer Sprecherin sind dort rund 400 Menschen untergebracht. In die Schlagzeilen war die Klinik zuletzt im November 2018 gekommen, als nach einem vereitelten Ausbruchsversuch mehrerer Patienten Tumulte auf einer Station ausbrachen. Im Mai 2017 war einem Psychiatrie-Gefangenen mit einer Geiselnahme der Ausbruch zeitweise gelungen. Im Maßregelvollzug gibt es in NRW nach Angaben des Gesundheitsministeriums 14 spezialisierte Einrichtungen, in denen rund 3000 Patientinnen und Patienten behandelt werden.