Es war die Wahnsinnstat eines kriminellen Einzelnen, aber mit dem Mord an zwei New Yorker Polizisten eskalieren die Spannungen zwischen den Bürgern und der Ordnungsmacht. Die Stadt gleicht einem Pulverfass.

New York - Die Nachmittagsschicht begann wie ein ganz normaler Streifendienst für die New Yorker Polizeibeamten Wenjian Liu und Rafael Ramos.   Sie waren abkommandiert worden, die Sozialbautürme im Brooklyner Stadtviertel Bedford Stuyvesant zu beobachten, wo es in jüngerer Vergangenheit zu kriminellen Aktivitäten gekommen war. Und so saßen sie in ihrem Fahrzeug, tranken Kaffee und warteten.   Doch dann verwandelte sich die Routineangelegenheit sekundenschnell in eine Tragödie. Ein bewaffneter Mann schlich sich von hinten an den Polizeiwagen und begann ohne Ankündigung durch die Seitenscheibe auf Liu und Ramos zu feuern. Beide waren auf der Stelle tot. Ein Zeuge berichtete, er habe sehen können, wie sie auf das Armaturenbrett nach vorne kippten und wie „überall das Blut spritzte“.  

 

Es war die Tat, die in New York in den vergangenen Wochen jeder befürchtet hatte. In der Stadt, in der seit der Grand-Jury-Entscheidung gegen die Anklage des Polizisten Daniel Pantaleo beinahe täglich Tausende gegen Polizeigewalt demonstrieren, lag ein brutaler Übergriff gegen die Polizei in der Luft. An diesem Samstag war es dann so weit.   Der Täter, der 28 Jahre alte Ismaayil Brinsley, hatte am Vortag per sozialer Medien die Tat angekündigt. Auf seiner Instagramm-Seite war zu lesen: „Sie töten einen von uns, wir töten zwei von ihnen. Heute mache ich den Schweinen Flügel.“

Täter gehörte zur Black Guerilla Family

Die Polizei von Baltimore, wo Brinsley wohnte, hatte die New Yorker Kollegen gewarnt. Der wiederholte Straftäter stand in Baltimore unter enger Überwachung. Doch die Warnung kam für Liu und Ramos zu spät.   Unmittelbar nach der Tat erschoss   sich Brinsley in einer U-Bahn-Station selbst. Erste Ermittlungen ergaben, dass er der Black Guerilla Family nahe stand. Die Black Guerillas waren in den 70er Jahren ein noch radikalerer Ableger der militanten Black Panther Party. In den vergangenen Jahren fielen sie jedoch vor allem dadurch auf, dass sie in Gefängnissen der Umgebung von Baltimore Drogen- und Waffenhandel organisierten, nicht selten in Kollaboration mit den Wärtern.  

Einige der Anführer der Protestbewegung gegen Polizeigewalt distanzierten sich eilig von der Tat, in der Hoffnung, den Schaden für die Bewegung abwenden zu können. „Jegliche Gewalt gegen Polizisten ist zu verurteilen und schadet unserem Kampf für Gerechtigkeit“, sagte der Bürgerrechtler Al Sharpton.   Viele in New York befürchten eine Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und ihren Kritikern. So hatte eine ähnliche Exekution von Polizisten im Jahr 1988 zu einer massiven Offensive durch die Polizei geführt.   Die ersten Reaktionen auf die aktuelle Tat lassen genau eine solche Entwicklung befürchten. Ein Sprecher der Polizistenvereinigung „Sergeant’s Benevolent Association“ schrieb in einem offenen Brief an den Bürgermeister De Blasio, dass dieser nun Blut an seinen Händen habe.

Polizisten wenden sich vom Bürgermeister ab

Bei einer Pressekonferenz des Bürgermeisters zu den Morden an Liu und Ramos kehrten die anwesenden Polizisten De Blasio demonstrativ den Rücken.   Vor der Tat hatte De Blasio Verständnis für die Demonstranten gegen Polizeigewalt geäußert. Besonders hatte man sich an dessen Ausführungen gestoßen, dass er seinem schwarzen Sohn beigebracht habe, sich vor der Polizei in acht zu nehmen.  

De Blasio selbst bemühte sich derweil, die Gemüter zu beruhigen, in dem er sagte, „ein Angriff auf unsere Polizisten ist ein Angriff auf uns alle“. Das dürfte jedoch kaum dazu ausgereicht haben, die Spannungen in New York zu beruhigen. Die Stadt erscheint in diesen Tagen mehr denn je wie ein Pulverfass.