Glamrock statt New Wave: Bob Geldof hat die Boomtown Rats („I don’t like Mondays“) wiederbelebt und das Album „Citizens of Boomtown“ veröffentlicht.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Wer Boomtown Rats sagt, muss auch „I don’t like Mondays“ sagen. Dieses Lied ist der Überhit der irischen Band. Und das, obwohl es eine entsetzliche Geschichte erzählt: Versteckt in einer pompös-kitschigen Klavierballade berichtet Bob Geldof von der 16-jährigen Brenda Ann Spencer, die mit einem halbautomatischen Gewehr in San Diego ein Schulhofmassaker anrichtete und ihre Tat mit dem Satz begründete: „Ich mag keine Montage!“

 

Ein Wiedersehen mit den New York Dolls und Ziggy Stardust

Dieser berühmteste aller Montagssongs stammt aus dem Jahr 1979 und erschien auf „The fine Art of Surfacing“, dem besten Album der Boomtown Rats. Jetzt hat Bob Geldof die Band zwar wiederbelebt, doch statt sich mit psychotischen Montagshassern zu befassen, mischt er sich zusammen mit Pete Briquette (Bass), Simon Crowe (Drums) und Garry Roberts (Gitarre) lieber unters Samstagabend-Partyvolk. „Oh no, another shit Saturday night!“, singt er zur Eröffnung des Comeback-Albums „Citizens of Boomtown“ in „Trash Glam, Baby“, einer herrlichen Glamrock-Hommage, bei der zwischen Oh-oh-oh-Chören, Rock’n’Roll-Gitarren und Honkytonk-Pianos die New York Dolls und Ziggy Stardust durch den Moth Club in London-Hackney geistern.

Auch sonst fühlt sich das Album nach Retro-Party an, riecht nach Rock’n’Roll, schmeckt nach Sex, Drogen und Alkohol. In die heftig aufstampfende Garagenrock-Nummer „Sweet Thing“ mischt sich „Wild Thing“ von den Troggs. „Monster Monkeys“ ist ein knurriger Boogie, „She Said Not“ ein sich aufplusternder Pubrocker, „Here’s a Postcard“ probiert Powerpop aus, und „Rock’n’Roll Yé Yé“ steht T. Rex oder Slade viel, viel näher, als den Boomtown Rats von einst.

Willkommen in der Glamrock-Disco

Damals war die im Jahr 1975 gegründete Band für ihren zackig-zickigen New Wave berühmt, vertonte mit Songs wie „She’s so modern“, „Rat Trap“, „Someone’s looking at you“ oder „Banana Republic“ den Zeitgeist der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Zwar erfindet Geldof für „Citizens of Boomtown“ wieder lauter knuffige Melodien. Musikalisch kehren die Boomtown Rats aber nicht zu ihren Anfängen zurück, sondern reisen noch ein bisschen weiter in die Vergangenheit, kommen in den frühen Siebzigern an.

Obwohl zwischendurch das Lied „Get a Grip“ elektronisch blubbert und sich der Song „The Boomtown Rats“ am Ende des Albums als eine mit Sirenen und Big Beats begleitete House-Hymne verkleidet, scheint sich die Platte doch am wohlsten auf der grell funkelnden Tanzfläche der Glamrock-Disco zu fühlen. Konsequenterweise ist das Politische, das bei den Boomtown Rats früher immer wieder durchschimmerte, auf „Citizens of Boomtown“ nur noch als Grundrauschen zwischen den Zeilen, zwischen den Beats und Gitarrenriffs zu hören.

Es gibt ein Leben jenseits des politischen Engagements

Womöglich wollte Geldof die Boomtown Rats nicht nur musikalisch neu verorten, sondern auch als Gegenprojekt zu seinem politischem Engagement definieren. Schließlich hatte er Anfang der 1980er erkannt, dass es Wichtigeres als Musik gibt und seine ganze Energie in das „Band Aid“-Projekt gegen den Hunger in Äthiopien gesteckt und am 13. Juli 1985 das „Live Aid“-Benefiz organisiert – das bis dahin größte Rockkonzert der Geschichte. Zwar lockte er damit die meisten Superstars von damals auf die Bühnen in London und Philadelphia (von U2 bis Mick Jagger, von Madonna bis David Bowie, von Queen bis Paul McCartney) und konnte umgerechnet über 100 Millionen Euro Spendengelder für Afrika sammeln – seine Band war aber danach am Ende.

Boomtown Rats: Citizens of Boomtown (BMG/Warner)