Ein wenig auffälliger als die Norm zu sein, genügte dem jungen David Jones nicht mehr. Arte zeigt in einem aufschlussreichen Porträt die Geburtsstunde einer Pop-Kunstfigur.

Stuttgart - Gravitätische Herren in dunklen Anzügen, die um einen Konferenztisch sitzen: Eine Originalaufnahme aus den sechziger Jahren zeigt die Musikredaktion der altehrwürdigen BBC. Die Wächter des guten Geschmacks bestellen sich damals in London junge Popbands ins Haus, um live deren Tauglichkeit fürs Programm zu überprüfen. Eine, von deren Sänger und Songschreiber noch zu hören sein wird, fällt 1965 krachend durch. Eben dieser Sänger sei, heißt es in einem kurzen Protokoll der Redakteursmeinungen, „ein Amateur und völlig frei von Persönlichkeit“, er liefere „falsche Töne und kann keine Melodie halten“. Die Band The Lower Third sei eben „eine ganz gewöhnliche Beat-Gruppe“. Und der sagt einer der Fachhörer nichts Gutes voraus: „Ich bezweifle, dass da Üben noch viel helfen wird.“ Geholfen hat dann unter anderem, dass der Sänger David Jones seinen Namen änderte: Als David Bowie ist er eine der Schlüsselfiguren der Popmusik geworden.

 

Francis Whately hat dieses heute sehr ulkige Dokument für seinen von der BBC mitproduzierten, auf Arte laufenden Film „David Bowie: Die ersten fünf Jahre“ ausgegraben. Er präsentiert es aber ohne Häme. Phil Lancaster, einst Drummer bei The Lower Third, liest das Votum herzlich amüsiert vor der Kamera vor. Die Schlachten von damals sind geschlagen, viele Urteile aus jener Zeit sagen heute mehr über die Kritiker als über die Musiker aus.

Pop wurde zu einer alternativen Dimension

Was Whately dann mit vielen Zeitzeugenstimmen deutlich macht, ist eine Unruhe des aus verklemmt-spießigsten Verhältnissen stammenden David Jones, die sich im üblichen Pop noch nicht ausdrücken kann, auch nicht im Herumprobieren mit anderen Kunstformen. Ein wenig auffälliger als die Norm zu sein, das genügt Jones nicht mehr. Die Beatles etwa wurden anfangs ihres ungewöhnlichen Haarschnitts wegen Pilzköpfe genannt, aber damit blieben sie doch greifbare Jungs mit etwas Attitüde. Auch ihre Sergeant-Pepper-Uniformen und ihr Megaruhm änderten daran nichts mehr. Aber als Jones zu Bowie wurde und sein Programm verfeinerte, wurde Pop zur alternativen Dimension, in der man sich in ein Wesen ganz anderer Art verwandeln konnte. Die Bowie-Figur war nur ein erster Schritt dazu, die noch androgynere Bühnengestalt Ziggy Stardust dann die Perfektion dieses Programms.

Wie so ein Konzert ablief, kann man gleich im Anschluss an Whatelys Doku sehen: Arte zeigt dann D. A. Pennebakers Konzertfilm „Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ aus dem Jahr 1973. Obwohl die Bühnenshow nur aus ein wenig Kostüm, Schminke und Licht besteht, anders als heutige Großspektakel, wirkt der Auftritt noch immer magisch – als sei da auf der Bühne das Tor zu einer anderen Welt aufgegangen, als könnten sich, wenn die Kamera zu aufdringlich werden sollte, die Fabelwesen erschreckt zurückziehen. Um diese Zeit waren dann auch ein paar BBC-Redakteure schon Bowie-Fans.