Das Konzertbüro Popnotpop will künftig keine Clubkonzerte mehr in Stuttgart veranstalten – sie rechnen sich einfach nicht. Hannes Steim erklärt, warum es das Popnotpop-Festival dennoch weiterhin geben soll.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Clubkonzert-Gänger in Stuttgart kennen das Gefühl, Teil einer ziemlich überschaubaren Masse zu sein. Ob im Universum, im Keller Klub, im Schocken oder anderen Locations – selbst kleine Clubs sind nicht leicht vollzukriegen. 2014 hat Stuttgart viele schlecht besuchte Clubkonzerte gesehen. Im gerade zu Ende gegangenen Spätherbst zählten die Konzerte von I Heart Sharks im Schocken, Northcote im Keller Klub, Sharon Van Etten im Zwölfzehn oder The Rifles im Universum dazu, die vor höchstens ein paar Dutzend Fans stattfanden. Auf Festivals mögen solche Acts vor Tausenden auftreten. In Stuttgart traf etwa die britische Band Klaxons bei ihrer Abschiedstournee auf 200 Leute.

 

Mit dem Popnotpop-Konzertbüro zieht sich jetzt ein erster, wenngleich kleinerer Player aus dem Geschäft mit den Clubkonzerten in Stuttgart zurück. „Clubkonzerte kriegt man entweder von den Konzertagenturen aufgedrückt oder es sind Überzeugungstäter am Werk, aber das ebbt jetzt ab“, sagt Hannes Steim vom Popnotpop-Büro. Neben dem Konzert von Life in Film am 31. Januar wollen die Popnotpop-Leute um Jahr 2015 erstmal keinen Clubgig mehr veranstalten.

Zumindest für Fans der zeitgenössischen Popmusik ist das eine schlechte Nachricht. Mit The/Das, Intergalactic Lovers, Dena, Claire, Abby, Okta Logue und Ja, Panik haben Steim und sein Geschäftspartner Andreas „Pese“ Puscher allein dieses Jahr etliche Top-Acts aus dieser Musikrichtung nach Stuttgart geholt und dabei auch Clubs ausverkauft. Aber das ist eben auch Aufbauarbeit, von der in diesem Fall andere profitieren: The/Das und Claire zählten nach ihren erfolgreichen Stuttgarter Clubgigs zu den ersten Künstlern, die fürs musikalisch in eine ähnliche Richtung strebende Stuttgart Festival bestätigt wurden.

Das Festival-Format funktioniert

Stichwort Festival: „Unser Clubfestival funktioniert“, sagt Hannes Steim. Da ist eine große musikalische Bandbreite möglich, die aktuelle Trends hin zu Hip-Hop und Electro aufgreifen kann. Und wenn’s den Leuten nicht gefällt, können sie in den nächsten Club gehen: das Prinzip iPod. Nur als Einzelveranstaltung laufen Clubkonzerte eben oftmals nicht.

Diesen Befund bettet Hannes Steim in einen größeren Zusammenhang ein: Auf- und Abstieg der Neo-Gitarrenmusik seit dem ersten The-Strokes-Album 2001. Mit „Is This It“ erlebte die Schrammelmusik im Vier-Viertel-Takt ein Revival, das locker zehn Jahre lang anhielt. Steim hat es selbst miterlebt, von 2003 bis 2013 veranstaltete er mit dem Yeah!Club eine eigene, auf Indie-Rock spezialisierte Partyreihe.

Mit dem Indie-Rock verbreitete sich auch das Modell Clubkonzert inflationär – weil zur selben Zeit Napster und Co. den Plattenverkäufen zusetzten, mussten Bands eben mehr live spielen, um über die Runden zu kommen. Damals wie heute passt Indie-Rock am besten zu kleinen Konzertclubs. Weil in diesem Bereich aber irgendwann „nicht mehr viel Neues passiert ist“, hat nicht nur Hannes Steim seine Partyreihe eingestellt – das Publikum strömt auch nicht mehr so begeistert zu Gitarrenkonzerten im kleinen Rahmen.

Stichwort Marktbereinigung

Mehr Konzerte und weniger Publikum verträgt sich nicht so gut, auch in Stuttgart nicht. Wenn Popnotpop künftig keine Clubgigs mehr veranstaltet, fällt das auch unter das Stichwort Marktbereinigung: dann halten eben die durch, die ihre Clubkonzerte mit finanziell erfolgreichen Großveranstaltungen oder öffentlichen Fördergeldern querfinanzieren können.

Neben den Finanzen ist der sich wandelnde Publikumsgeschmack eine Herausforderung – selbst für stilsichere Booker wie Steim und Puscher, die ja längst nicht mehr auf Gitarrenmusik beschränkt sind. „Wenn ich Songs auflege, die vor drei Jahren der absolute Dancefloor-Killer waren, kommen garantiert Besucher zu mir und wünschen sich ‚was Bekanntes’“, erzählt der DJ. Sich ein treues Publikum zu erspielen ist besonders für jene Bands schwierig, die mit dem Geschmack der Zeit gehen.

Promo ist besser als Besprechungen

Zumal die von der Musikpresse als hip bezeichneten Acts nicht unbedingt die Hipster in Stuttgart auf die Konzerte locken: „Nur weil eine Band in den Magazinen viel besprochen wird, heißt das noch lange nicht, dass viele Leutezum Konzert kommen“, sagt Hannes Steim. Radiohits und Facebook-Werbung helfen, kosten aber Geld.

Hannes Steim fallen noch mehr Clubgigs aus dem zurückliegenden Jahr ein, die viel mehr Besucher vertragen hätten: die Auftritte von Karl Bartos in den Wagenhallen oder vom House-Produzent Stimming mit der Trijo Urban Session im Bix zum Beispiel. „Im Rocker 33 hätte Stimming 1000 Leute gezogen – so waren es dreißig, vielleicht vierzig“, erinnert sich Hannes Steim. Die coolen Kids hören heute eben Electro, und der funktioniert im großen Rahmen besser als im kleinen. Vielleicht braucht das Konzept „Clubkonzert“ einfach mal eine Verschnaufpause?

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