Der Sportwagenhersteller Porsche hat sich lange Zeit gegen zu viel digitale Technik gewehrt – jetzt leitet er in Ludwigsburg die radikale Wende ein. In dem Kreativlabor in der Weststadt geht es ungwohnt locker zu.

Ludwigsburg - Der Chef hält den Highscore am Flipper. Wenn Thilo Koslowski an dem blinkenden Gerät in der schwarz ausgekleideten Halle steht, leuchten seine Augen. Es ist nicht irgendein Flipper, sonder einer mit Star-Wars-Motiven: Der Todesstern und Jedi-Ritter schwirren zwischen der Kugel umher. Ein Symbol für das kreative Arbeitsklima in den Hallen des Werkzentrums West.

 

Noch sieht vieles provisorisch aus: Auf den Schreibtischen stehen unausgepackte Bürostühle, weite Teile der Halle sehen noch aus wie eine Baustelle. Nur in einem Großraumbüro gibt es schon Sofaecken, Telefonzellen zum ungestörten Telefonieren und Meeting-Räume , die Namen von Rennstrecken wie „Laguna Seca“ in Kalifornien tragen.

„Das ist teilweise noch work in progress“, sagt Koslowski. Anglizismen gehören zu seiner DNA – der Chef der neuen Porsche-Digital-GmbH hat 20 Jahre lang im Sillicon Valley in Kalifornien gelebt und für den Technologie-Berater Gartner gearbeitet. Digitalisierung ist seine Berufung.

Mobil ins Internet? Das war 1997 ein Witz

Er hatte schon 1997 die Vision, dass die Menschen mit einem Steuerungsgerät mobil ins Internet gehen – und dass dieses in das Auto integriert wird. „Damals hat man mich ausgelacht“, erzählt der umtriebige Manager mit den hellbraunen Schuhen. Auch bei Porsche hat man noch bis vor wenigen Jahren so gedacht.

Noch vor drei Jahren hat der damalige Entwicklungsvorstand im Weissacher Technologiezentrum des Konzerns, Wolfgang Hatz, autonomes Fahren und Assistenzsysteme bei dem Sportwagenbauer für obsolet gehalten. Hatz ist inzwischen entlassen und sieht sich mit Ermittlungen zum Diesel-Skandal konfrontiert. Doch das ist Vergangenheit, nun entwickelt der Konzern aus Zuffenhausen nicht nur bis 2019 einen Elektro-Rennwagen („Mission E“), sondern hat auch eine Digital-GmbH gegründet – und diese nach Ludwigsburg ausgelagert. „Mir gefällt der Spirit hier, das kreative Klima und die Nähe Bosch, zu den Existenzgründern“, sagt Koslowski.

Das Ziel: Das totale Porsche-Erlebnis

Aber warum erst jetzt? Während Elon Musk in Kalifornien in die Tesla-Wagen schon vor Jahren ein riesiges Display in seinen Elektroflitzer eingebaut hat, hatte der 911er noch ein traditionelles Interface. Thilo Koslowski lächelt auf die Frage kurz und sagt dann: „Es geht nicht immer darum, es zuerst zu machen, sondern richtig.“ Not be first, but be right, sagt er mit hörbarem amerikanischem Akzent.

Aber was genau entwickelt das bald 650 Mann große Team eigentlich? Selbstständig fahrende Autos werden in Weissach erforscht, der Elektroporsche in Zuffenhausen konstruiert, und schon jetzt steckt in jedem 911er oder Macan jede Menge Software mit zugehöriger App. Warum also noch eine Digital-GmbH als eigenes Unternehmen? Der Chef antwortet mit einer Vision. „Wir wollen unseren Kunden Porsche-Erlebnisse bieten: alles soll aufregend, intelligent und erstrebenswert sein.“ Morgens beim Aufwachen mit der App auf dem Handy, auf der A 81 im Stau oder im Urlaub: Überall sollen dem Porsche-Fahrer Angebote gemacht werden. Wo kann man am Wochenende Golf spielen? Soll ich den Kollegen anrufen, dass Sie wegen Staus später kommen? Will der Fahrer statt der Regenwolken in Markgröningen lieber Kaliforniens Sonne im Fenster sehen? Dazu werden hier Software-Lösungen entwickelt.

Ludwigsburg als hipper Standort

Das Auto soll der Ort sein, wo alles vernetzt ist und zusammen läuft. „Der autonome Porsche ist kein Robo-Taxi, man soll das Fahren genießen“, erklärt Koslowski. Es ist nicht weniger als ein Kulturwandel, die der Porsche-Chef Oliver Blume dem Konzern verordnet hat. Die hippen Büros mit bunten Plastikstühlen, Flipper und einem Rennsimulator passen auch nicht so ganz in die sonst recht sterile Porsche-Arbeitswelt.

Hier soll also das kreative Herz ticken. Dazu nimmt die Porsche-Digital-GmbH auch mal Startups unter ihre Fittiche. „Inkubation“ nennt man das. Zum Beispiel zwei ehemalige Porsche-Mitarbeiter, die sich mit einem Projekt zum Home Office selbstständig gemacht haben.

Der Standort Ludwigsburg mit dem kreativen Image, das sich die Stadt gerne verpasst, passt gut zu diesem Konzept. Für den Sportwagenhersteller ist es auch attraktiv, an das Gründerzentrum angedockt zu sein. Man tauscht sich beim Mittagessen in der weiträumigen Kantine aus. Koslowski findet auch die alten Fabrikhallen charmant: „Hier wurde etwas hergestellt. Das greifen wir wieder auf, wir stellen fertige Apps und Programme her.“

Wieviel Ludwigsburg dann in dem neuen Elektroporsche Mission E 2019 steckt? Koslowski lächelt: „Man sieht es nicht, aber es werden einzelne digitale Elemente sein.“