Vor dem ersten diesjährigen Auftritt von Angelique Kerber stand der Dienstag in Stuttgart im Zeichen der deutschen Talente. Eva Lys wird ihr WTA-Debüt wohl nicht so schnell vergessen.

Fast unbemerkt schuftete Angelique Kerber für das erhoffte Erfolgserlebnis auf dem Weg zu den French Open. Am Tag vor ihrem kniffligen Erstrundenspiel in Stuttgart hatte sich die deutsche Nummer eins für eine Trainingseinheit am frühen Morgen entschieden. Erst am Mittwoch (nicht vor 18.30 Uhr/Eurosport) wird die ungesetzte 34 Jahre alte Kielerin ihren ersten diesjährigen Auftritt beim hochklassig besetzten Hallenturnier haben. Gegen die Weltranglisten-Sechste Anett Kontaveit scheint die nächste Enttäuschung für Kerber wahrscheinlicher als der Achtelfinaleinzug.

 

„Ich habe immer noch große Leidenschaft für den Sport. Ich weiß, ich kann immer noch mithalten, ich fühle mich gut, ich bin gesund“, sagte Kerber vor dem Match auf dem weniger gemochten Sand gegen die Estin. „Ich habe immer gesagt, ich spiele so lange ich dieses Gefühl habe.“ Die großen Turniere seien die Ziele, wie die Ende Mai beginnenden French Open in Paris. „Jetzt geht die Sandplatzsaison wieder los, und ich hoffe, dass sie dieses Jahr ein bisschen Glück hier oder da für mich mitbringen wird.“

Der Dienstag stand im Zeichen der jungen deutschen Generation mit Spielerinnen wie Eva Lys, an deren Namen sich auch Tennis-Fans erst gewöhnen müssen. Die 20-Jährige spielte zum ersten Mal ein Match im Hauptfeld auf der WTA-Tour - und imponierte. Mit 5:7, 7:5, 7:5 rang die Qualifikantin vom Club an der Alster die rund 300 Plätze in der Weltrangliste besser notierte Schweizerin Viktorija Golubic nieder. Wie Kerber und die Schwäbin Laura Siegemund ist Lys am Mittwoch (2. Spiel nach 12.30 Uhr) wieder dran. Anders als die beiden früheren Stuttgart-Siegerinnen bestreitet sie die zweite Runde.

Ein solch großes Turnier wie in Stuttgart hat Lys noch nie gespielt

Für die Qualifikation hatte Lys als Nummer 342 der Welt eine Wildcard gebraucht. Nun fordert sie im Achtelfinale die Weltranglisten-Erste Iga Swiatek aus Polen heraus. „Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich auf das Match freue. Das ist für mich ein Moment zu sehen, wo ich mit meinem Tennis stehe“, sagte Lys.

Als sie in kurzer Hose und rot lackierten Fingernägeln Fragen beantwortete, war ihr nicht anzumerken, dass sie ein Neuling auf der WTA-Tour ist. Eindrucksvoll reif bezog sie Stellung, auch zu ihrer Meinung über Themen zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Lys wurde in Kiew geboren, ehe sie als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland kam. Verwandte von ihr leben in der Ukraine.

„Da Tennis eine Individualsportart ist, muss man sagen, dass Spielerinnen, die aus solchen Ländern kommen, nicht direkt abgestempelt werden sollen“, sagte Lys. Sie sagte aber auch, dass sie sich von der Damen-Profiorganisation WTA eine Aufforderung an russische Spielerinnen wünschen würde, sich klar zu positionieren.

Ihr selbst helfe Tennis dabei, sich abzulenken. „Sobald ich den Platz verlasse, kann ich nicht leugnen, was passiert, vor allem weil ich durch meine Familie sehr betroffen bin“, sagte sie.

Ein solch großes Turnier wie nun in Stuttgart hatte sie noch nie gespielt. Dennoch trat Lys gegen Golubic, die Nummer 38 der Welt, unerschrocken auf. Nach etwas mehr als drei Stunden machte sie ihren Einzug ins Achtelfinale perfekt. „Ich bin so geschockt, ich höre gar nichts mehr“, war dann ihre erste Antwort auf dem Centre Court.

Auch Tamara Korpatsch startete dank eines 3:6, 7:6 (7:2), 6:1 gegen die Italienerin Camila Giorgi erfolgreich. Die erst 18 Jahre alte Qualifikantin Natasja Schunk schied dagegen mit dem 6:7 (3:7), 5:7 gegen die Kasachin Jelena Rybakina aus.