Ein ukrainisches Wunderkind schickt sich an, die Tenniswelt zu erobern. Aktuell verzückt die 15-Jährige die Zuschauer beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart. Vorhang auf für Marta Kostjuk.

Stuttgart - Es dauert lange, bis Marta Kostjuk aus den Katakomben der Porsche-Arena wieder auftaucht. Lange hat sie in einem Kämmerchen gesessen und versucht, endlich Wasser zu lassen – ein Problem, das ihr mehr Sorgen bereitete als ihre Gegnerin Antonia Lottner. Was anstrengender gewesen sei, das Spiel gegen die Deutsche oder die anschließende Dopingprobe, wird Kostjuk hinterher gefragt, die antwortet keck: „Die Dopingprobe.“

 

Kostjuk fehlt es nicht an Selbstbewusstsein

An Selbstbewusstsein fehlt es ihr also nicht, dieser neuen Tennisattraktion aus der Ukraine, dem 15 Jahre alten Mädchen mit den blonden Haaren, das sich anschickt, in die Weltspitze vorzustoßen. Marta Kostjuk ist die jüngste Spielerin seit 1995, die beim Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart im Hauptfeld steht. Im Qualifikationsfinale hatte sie sich gegen die fast doppelt so alte französische Sandplatzspezialistin Alizé Cornet (28) durchgesetzt; nun folgte in der ersten Runde ein krachendes 6:4, 6:1 gegen Antonia Lottner (21). Dem aggressiven und unbekümmerten Spiel der Ukrainerin hatte die Düsseldorferin wenig entgegenzusetzen. Ob sie überrascht ist, wie gut es läuft? „Nein“, sagt Kostjuk, „warum sollte ich überrascht sein?“

Umso größer ist das Staunen beim Publikum, seit Marta Kostjuk Anfang des Jahres bei den Australian Open erstmals das Rampenlicht betreten hat. Im Vorjahr hatte sie in Melbourne das Juniorenturnier gewonnen, bei den Erwachsenen schaffte sie es auf Anhieb in die dritte Runde. Eine 15-Jährige unter den letzten 32 – bei einem Grand Slam hatte es dies seit mehr als 20 Jahren nicht gegeben. Kein Grund zur Aufregung, fand Kostjuk, „ich stelle jedes Jahr neue Rekorde auf, das ist normal für mich“.

Wunderkind aus der Ukraine

Kein Wunder also, dass der Weltranglisten-158. längst das Etikett „Wunderkind“ angeheftet wurde. Die Tennishistorie ist reich an Geschichten solcher Senkrechtstarterinnen im Jungmädchenalter. Glanzvolle Karrieren sind darunter wie im Falle von Steffi Graf, die mit 13 in Filderstadt debütierte und später 22 Grand Slams gewann, oder der Schweizerin Martina Hingis, mit 16 die jüngste Nummer eins der Weltrangliste. Es gibt aber auch die früh verglühten Sternchen wie die US-Amerikanerinnen Andrea Jaeger, Tracy Austin oder Jennifer Capriati, die den körperlichen Belastungen und dem Erwartungsdruck nicht lange standhalten konnten und teils aufhören mussten, noch ehe sie 20 waren.

Auch wegen solcher Beispiele hat die WTA zum Schutz der Talente schon vor Jahren die Regularien geändert und Teenagern den Zugang zur Tour erschwert. Erst ab 17 haben Tennisspielerinnen das Anrecht, an allen WTA-Turnieren teilzunehmen; ab 14 dürfen sie nur vereinzelt Wildcards beantragen. Für Marta Kostjuk bedeutet dies: Sie darf in diesem Jahr inklusive der vier Grand Slams nur an zwölf großen Turnieren teilnehmen. „Ich finde diese Regel gut, weil früher viele Spielerinnen verbrannt wurden. Jetzt werden sie besser geschützt und können langsam aufgebaut werden“, sagt Anke Huber, die Turnierdirektorin beim Porsche Grand Prix, die einst mit 15 ihr erstes WTA-Turnier gewonnen hat. „Seltsam“ hingegen findet Kostjuk die Altersregelung, „aber das ist eben so.“

Kostjuk ist erstaunlich reif

Die nächsten Sprünge nach oben dürften trotzdem nicht lange auf sich warten lassen. Sowohl physisch als auch mental wirkt Kostjuk, in Kiew geboren, in Zagreb wohnhaft, von ihrer Mutter gecoacht und von Roger Federers Trainer Ivan Ljubicic gemanagt, erstaunlich reif. Sie bringt alles mit, was es braucht, um ein Star zu werden: Talent, Ehrgeiz, Selbstbewusstsein. „Sie ist für ihr Alter schon sehr, sehr weit“, sagt Huber, „ich sehe in ihr eine künftige Top-Ten-Spielerin.“ Kostjuk selbst hält sich zumindest bei diesem Thema mit forschen Tönen zurück. „Wenn ich jetzt sage, ich will die Nummer eins der Welt werden, würde es schmerzen, wenn ich das nicht erreiche“, sagt sie. „Ich bin noch in einem Alter, in dem ich vieles zu verbessern habe.“

Dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen, weiß Kostjuk – und hat es auch in Stuttgart erlebt. Ein Achtelfinale gegen Maria Scharapowa hätte sie sich gewünscht, die berühmte Russin, die kurz nach Kostjuks zweitem Geburtstag ihren ersten Wimbledon-Titel gewann. „Andere träumen davon, sie einmal zu sehen – ich könnte gegen sie spielen.“ Aus dem Duell der Generationen wird beim Porsche Tennis Grand Prix nichts: Scharapowa unterlag Caroline Garcia mit 6:3, 6:7 (6:8), 4:6.

Die Französin sollte sich vor ihrer nächsten Gegnerin in Acht nehmen. Für Anke Huber ist Marta Kostjuk jetzt schon „eine Mitfavoritin“.