Das lautlos fahrende Elektroauto – für lärmgeplagte Städter ein Traum, für Fußgänger lebensgefährlich, für Sportwagenbauer eine Herausforderung. Wie die Elektroautos aus Stuttgart zu ihrem Sound kommen.

Digital Desk: Jonas Schöll (jo)

Stuttgart - Elektrofahrzeuge sind zu leise, und das ist ein Problem. Nicht nur für Porsche-Fahrer, die den satten Sound eines Sechszylinder-Boxers schätzen. Sondern mehr noch für Kinder, Fußgänger und Radfahrer, die ein Auto bisher kommen hörten. Akustikingenieure bei Daimler, Porsche und Co. tüfteln deshalb an kreativen Tönen, die sowohl für Sicherheit als auch für Fahrspaß sorgen sollen. Zwanzig Jahre lang hat die Branche daran gearbeitet, Autos leiser zu machen, jetzt müssen sie lauter werden.

 

„Es ist wichtig, dass der Sound authentisch ist und zu Fahrzeug und Fahrzustand passt“, sagt Porsche-Sprecher Mayk Wienkötter. Mit dem Taycan hat der Sportwagenhersteller im vergangenen Jahr sein erstes reines Elektromodell auf den Markt gebracht. „Für den Taycan-Sound waren wir uns von Anfang an einig, dass es keine Option ist, einen Verbrennungsmotor nachzuahmen“, betont Wienkötter.

500 Euro extra kostet das Porsche-Feeling

Die EU schreibt für neue Hybrid- und Elektro-Modelle seit Juli 2019 vor, dass sie bis zur Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern Fußgänger mittels eines Schallzeichens warnen müssen. Von Juli 2021 an muss der Fahrer das Geräusch per Knopf einfach abschalten können, so die EU-Verordnung. In den USA müssen seit September 2019 schon 50 Prozent aller neu zugelassenen E-Autos für die Fußgänger hörbar sein, von September 2020 an alle – und zwar nicht nur bis 20, sondern bis 30 Stundenkilometer.

Das vorgeschriebene Warnsignal ist Porsche aber nicht genug. Für den Taycan gibt es darüber hinaus den optionalen Porsche Electric Sport Sound, an dem Akustikingenieure und Tonmeister am Standort in Weissach gebastelt haben. Beim Taycan Turbo S ist der Electric Sport Sound serienmäßig. Für den Turbo und 4S optional für 499 Euro Aufpreis erhältlich. Der Sportwagenhersteller verspricht seinen Kunden auch akustisch ein „typisches Porsche-Feeling.“

So klingt der neue Taycan von Porsche

Für den perfekten Porsche-Sound würden reale Klangkomponenten des Antriebs so gefiltert und verstärkt, dass wohlklingende und kraftvolle Anteile betont und die störenden Geräuschanteile reduziert werden. „Es gibt einen klaren physikalischen Bezug zwischen Sound und Antriebsstrang“, so Wienkötter.

Auch bei Daimler basteln Ingenieure am Sound der Zukunft für die Elektroautos. Ein spezielles buchbares Modul wie bei Porsche gibt es bei Daimler zwar nicht, doch die elektrisch angetriebenen Fahrzeuge werden mit einem System ausgestattet, welches das gesetzlich geforderte Fußgängerwarngeräusch nach außen erzeugt. Es soll ein unaufdringliches, aber wahrnehmbares Geräusch sein, das ab Start lauter und bereits ab Tempo 20 bis 30 wieder ausgeblendet wird.

So klingt Daimlers EQC

Die Soundexperten arbeiten im Akustikprüffeld im Mercedes-Benz Technologie Center in Sindelfingen daran, dem elektrifizierten Mercedes aus der EQC-Reihe eine Stimme zu geben. „Die akustische Wahrnehmung der Stromer bleibt ein wichtiger Sicherheitsfaktor für andere Verkehrsteilnehmer“, sagt Daimler-Sprecherin Madeleine Herdlitschka.

Das Grundgeräusch des Fahrzeugs werde zunächst in der Simulation und später im Akustikprüfstand und auf der Teststrecke optimiert. Es geht darum einen Sound zu ergänzen, wo eigentlich keiner ist. „Das System erzeugt keine Science-Fiction-Sounds, die dem Auto fremdartig übergestülpt werden, sondern betont das bereits vorhandene Geräusch des Fahrzeugs“, betont Herdlitschka.