Die britische Schauspielerin Keira Knightley ist längst eine Spezialistin für historische Frauenfiguren in den Zwängen anderer Zeiten. Im Hier und Heute ist sie eine selbstbewusste Frauenrechtlerin, die den Kampf vieler ihrer Filmfiguren fortführt.

Stuttgart - Wenn Keira Knightley zu Beginn von „Colette“ (Start im deutschen Kino: 3. Januar 2019) im langen gelben Rüschenkleid durch den Garten eines alten französischen Landhauses spaziert, stellt sich auf Anhieb ein Gefühl von Vertrautheit ein. Nicht weil es diese Szene exakt so schon einmal gegeben hätte. Aber der Anblick der britischen Schauspielerin in einem historischen Setting mit ebensolchen Kostümen ist zumindest so vertraut, dass er die erste Assoziation bei der bloßen Erwähnung ihres Namens ist.

 

Bereits seit ihrem sechsten Lebensjahr steht Knightley, die als Tochter zweier Schauspieler (ihre Mutter Sharman Macdonald schreibt außerdem Drehbücher und Theaterstücke) im Londoner Speckgürtel aufwuchs, vor der Kamera. Zu Auftritten in verschiedenen Werbespots gesellten sich bald kleine Fernsehrollen. Und mit 12 Jahren war sie dann zum ersten Mal auf der großen Leinwand zu sehen: als junge Version der Protagonistin des Krimis „Unschuldige Lügen“, der im Südfrankreich des Jahres 1938 spielt.

Ein klares Image: Korsettträgerin

Acht Jahre und ein frühzeitig abgebrochenes College-Studium später gelang ihr der weltweite Durchbruch, als es sie sogar noch weiter zurück in die Vergangenheit verschlug. Als Elizabeth Swann gab sie im 18. Jahrhundert, in dem die „Fluch der Karibik“-Filme angesiedelt sind, eine so gute Figur ab, dass die Britin fortan endgültig ihr Image weg hatte.

Zweimal wurde Knightley seither für den Oscar nominiert, in beiden Fällen für historische Geschichten, nämlich die Jane Austen-Verfilmung „Stolz und Vorurteil“ (2005) sowie das im Zweiten Weltkrieg spielende Spionagedrama „The Imitation Game“ (2014). Zu ihren bekanntesten Filmen gehören außerdem die Romanadaption „Abbitte“ (2007), für die sie für den Golden Globe nominiert wurde, der Abenteuerfilm „King Arthur“ (2004), der Kostümfilm „Die Herzogin“, David Cronenbergs „Eine dunkle Begierde“ (2011) über Sigmund Freud und C. G. Jung und Joe Wrights Neuverfilmung von „Anna Karenina“ (2012). Vom 5. Jahrhundert bis ins mittlere 20. Jahrhundert dürfte es mittlerweile kaum ein Korsettmodell geben, das Knightley noch nicht getragen hat.

Frauen im Käfig

Wer die Schauspielerin, die nach Beziehungen zu Kollegen wie Jamie Dornan oder Rupert Friend seit 2013 mit dem Musiker James Righton von der Band Klaxons verheiratet ist und zwei Jahre später Mutter einer Tochter wurde, aufgrund ihrer Rollenauswahl für altmodisch hält, könnte allerdings falscher kaum liegen. „Fast alle meine Figuren versuchen stets, aus dem klassischen Bild von Weiblichkeit auszubrechen“, sagte sie kürzlich im Gespräch mit dem britischen Guardian. „Gerade deswegen mag ich historische Stoffe und Kostümfilme so gerne. Denn in ihnen stecken Frauen in einem so offensichtlichen Käfig.“

Bestes Beispiel dafür ist nun tatsächlich „Colette“, in dem sie in der Rolle der legendären französischen Schriftstellerin wirklich gegen jede Konvention rebelliert, die Frauen gesellschaftlich traditionell aufgezwungen wurden. Knightleys feministisches Selbstverständnis schlägt sich allerdings nicht nur in ihrer Vorliebe für Historienfilme nieder, sondern lässt sich auch an anderen beruflichen Entscheidungen ablesen, von der Auswahl ihrer Theater-Engagements (unter anderem stand sie in „The Children’s Hour“ auf der Bühne, Lillian Hellmans einst kontroversem Drama über zwei lesbische Lehrerinnen) bis hin zu ihren Werbeverträgen (meistens für Chanel). Und wer könnte ihre Rolle als Fußballerin in „Kick it like Beckham“ vergessen, der charmanten – und zur Abwechslung mal zeitgenössischen – Komödie, mit der 2002 die große Karriere überhaupt erst richtig in Gang kam?

Der Druck, immer gut auszusehen

In den vergangenen Monaten machte die 33-jährige, die in Interviews zwar kaum über ihr Privatleben, aber ansonsten sehr frei von der Leber weg spricht, nicht nur mit ihrer Arbeit Schlagzeilen. Für Aufsehen sorgte sowohl ihr Bekenntnis, vor elf Jahren in Folge des frühen Ruhms einen kleinen Nervenzusammenbruch erlitten zu haben, als auch darüber hinaus ein von ihr verfasster Essay für das Buch „Feminists don’t wear Pink (and other Lies)“. In dem Text mit dem Titel „The weaker Sex“ schreibt sie sehr drastisch von ihren Erfahrungen bei der Geburt ihrer Tochter – und von dem Druck, der auf Frauen lastet, möglichst schon Stunden nach einem solchen alles andere als glamourösen Erlebnis wieder makellos auszusehen.

„Wir Frauen müssen die aktuelle Lage nutzen, um mit unseren Stimmen die Diskussion weiter voranzutreiben“, sagte sie dazu im Guardian. „Denn wir haben leider mit einem System zu tun, das auf Ungleichheit basiert.“

Kampf gegen Klischees

Doch auch vor der Kamera wird Knightley ihren Kampf gegen Klischees und für einen anderen Blick auf Weiblichkeit im neuen Jahr weiter fortsetzen. Nicht nur mit „Colette“, sondern gleich mit mehreren neuen Filmen. Anfang April zum Beispiel wird sie gleich wieder auf der Leinwand zu sehen sein – und kehrt dabei erneut ins vergangene Jahrhundert zurück: in „Niemandsland“ spielt sie eine britische Offiziersfrau im besetzten Nachkriegsdeutschland des Jahres 1946.