Für ihre Rolle im Sklavendrama „12 Years a Slave“ könnte Lupita Nyong’o Anfang März einen Oscar gewinnen. Gefeiert wird die 30-jährige Kenianerin in Hollywood aber nicht nur für ihr schauspielerisches Talent.

New York - Die Sitzplätze direkt am Laufsteg bei der New Yorker Fashion Week sind so begehrt wie eine Reservierung im Society-Restaurant Le Cirque. Ein Normalsterblicher hat keine Chance, sie zu ergattern, man muss zu einer erlesenen Gesellschaft gehören oder wenigstens jemanden in diesen Kreisen kennen.

 

Nicht nur in der ersten Reihe zu sitzen, sondern auch noch direkt neben der „Vogue“-Chefin Anna Wintour – das ist daher der Ritterschlag in der Welt der Schönen und Berühmten. Umso überraschender war es, als bei der diesjährigen Calvin-Klein-Show zwischen Wintour und Naomi Watts Lupita Nyong’o zu sehen war, ein Gesicht, das in den oberen New Yorker Kreisen vor einem Jahr niemand kannte.

Plötzlich ist die Covergirl und Gast in vielen Talkshows

Damals lebte die 30 Jahre alte Kenianerin in einer kleinen Wohnung in Brooklyn und paukte für ihr Examen an der Schauspielschule. Jetzt ist Nyong’o ein Star. Die grazile, bilderbuchschöne junge Frau ziert das Cover des „New York Magazine“ und des Modehefts „W“, auf dem Gruppenfoto mit den Hollywoodschauspielern der Saison in der „Vanity Fair“ saß sie in der Mitte. Seit der Oscar-Nominierung für ihre Rolle als Patsey in „12 Years a Slave“ war sie in allen großen Talkshows, und Oprah Winfrey hat sich schon zweimal persönlich mit ihr getroffen.

Lupita Nyong’o zwischen Anna Wintour (l) und Naomi Watts Foto: AP
Natürlich hat Nyong’o die Aufmerksamkeit für ihre brillante Darbietung an der Seite von Michael Fassbender, Chiwetel Ejiofor und Brad Pitt verdient. Sie gibt der gepeinigten Sklavin genau die Mischung aus Schmerz und Würde, nach der der Regisseur Steve McQueen monatelang verzweifelt gesucht hatte, als er die Rolle besetzen wollte. Als er sich dann auf Anraten eines Assistenten das Bewerbungsvideo von Nyong’o ansah, so McQueen, sei das „wie eine Offenbarung“ gewesen.

Gefragt ist Nyong’o aber nicht nur wegen ihres Schauspieltalents. Beinahe noch mehr beeindruckte sie während der langen Saison der Preisverleihungen seit September auf dem roten Teppich, wo sie stilsicher sowohl die Kameralinsen als auch eifersüchtige Blicke von Rivalinnen wie Jennifer Lawrence auf sich zog. Sie verkörpert einen frischen, ganz neuen Typ. Mit ihrer schlanken, fragilen Erscheinung und ihrem Gespür für Mode erinnert sie an Audrey Hepburn. Ihre dunkle Haut und der kantige Kurzhaarschnitt hingegen geben ihr die Aura einer feminineren Version von Grace Jones. Hinzu kommen ihr distinguierter, beinahe aristokratischer britisch-afrikanischer Akzent und ihre kluge Eloquenz, beides geschärft auf Privatschulen in Kenia und exklusiven Colleges in Neuengland. Nyong’o ist die neue schwarze Stilikone, sie hat Halle Berry und Michelle Obama überholt.

Den Erfolg hat sie sich hart erarbeitet

Sie selbst ist von all dem freilich vollkommen überwältigt. „Das hätte ich mir nie träumen lassen“, sagt sie. Die Empfänge, die Preisverleihungen, die Treffen mit Julia Roberts, Leonardo DiCaprio und Meryl Streep, die sie nun als Kollegin in ihre Mitte genommen haben, das ist für Nyong’o noch surreal. „Es gab in den vergangenen Monaten so viele Highlights, dass man sie gar nicht mehr als Highlights wahrnehmen kann.“

Aus dem Nichts kam der Erfolg natürlich nicht, die Tochter eines kenianischen Politikers bastelt seit dem College in New Hampshire vor zehn Jahren zielstrebig an ihrer Schauspielkarriere. Nyong’o arbeitete als Assistentin bei Hollywoodfilmen wie „Der ewige Gärtner“ und spielte in einer kenianischen TV-Serie mit. Sie schrieb und produzierte einen eigenen Dokumentarfilm und führte Regie bei einem Musikvideo der Band WaHu. Und sie setzte alles daran, in die Yale School of Drama, eine der renommiertesten Schauspielschulen der USA, aufgenommen zu werden.

Schwarze Kolleginnen setzen große Hoffnungen in sie

Jetzt gilt es für Lupita Nyong’o, den Augenblick in nachhaltigen Erfolg umzumünzen. Wie gut ihr das gelingt, wird auch ein Test dafür sein, wie farbenblind Hollywood im Jahr 2014 tatsächlich ist. Noch vor Kurzem klagte die dunkelhäutige Schauspielerin Viola Davis darüber, wie schwer es sei, Rollen zu bekommen, „wenn man nicht aussieht wie Halle Berry“. Berry, so die Anspielung, ist so hellhäutig, dass sie fast als Weiße durchgehen kann.

Nyong’o ist hingegen tiefschwarz. Das hat ihr bei der Rolle der Patsey geholfen. Nun muss sich zeigen, ob Hollywood eine Frau wie sie auch für romantische und Charakterrollen in Filmen ohne ein explizit schwarzes Thema einsetzt. Das Portal für afroamerikanische Themen „The Root“ schrieb, dass „die Hoffnung schwarzer Frauen in Hollywood auf Nyong’os Schultern ruhen“. Das muss sie aushalten. Auch, wenn ihre Schultern mächtig schmal sind.