Als Kind hat die Schriftstellerin Nina Blazon Tolkien gelesen. Heute schreibt sie selbst fantastische Romane. Am 8. Juli liest sie im Literaturhaus Stuttgart aus ihrem neuen Buch „Zweilicht“. Annette Schwesig hat sie getroffen.

Reise: Annette Schwesig (apf)

Stuttgart - Die Schilderungen der Schlachten hat Nina Blazon früher immer überblättert. Als sie im Alter von 13 Jahren zum ersten Mal Tolkiens „Herrn der Ringe“ las, war sie zwar sofort fasziniert von der Handlung und dem Stil des Autors, doch die vielen Kämpfe ließen das junge Mädchen kalt. Sie suchte nach der Liebesgeschichte. Und da es ja nichts gibt, was es in Tolkiens Welt nicht gibt, wurde sie bald fündig und las alle drei Bände in einem Zug durch bis zum Schluss – bis auf die Schlachtenszenen eben. „Damals in meiner Klasse war es geradezu Pflicht, ,Herr der Ringe‘ zu lesen. Und fast alle taten es auch.“

 

Nina Blazon, Jahrgang 1969, hatte schon früh eine Schwäche für fantastische Literatur. Sie las leidenschaftlich gern Michael Ende, auch Astrid Lindgren und Otfried Preußler, wenn diese den Pfad des Realistischen verließen: also „Mio, mein Mio“ und „Die Brüder Löwenherz“ von Lindgren oder „Krabat“ von Preußler. Sehr viel mehr Fantasy für Kinder gab es damals ja nicht. Auf den „Kleinen Hobbit“ stieß sie erst als junge Erwachsene: „Das war ganz anders als ,Herr der Ringe‘ und doch so vertraut. Die Personen kannte man schon, und sie haben mich gleich wieder in ihren Bann gezogen. Die Struktur jedoch empfand ich als viel einfacher.“ Das Kinderbuch hat sie dann auch nicht noch einmal gelesen, den „Herrn der Ringe“ schon – diesmal dann mit den ganzen Schlachtenszenerien.

„Tolkien ist das Urgestein“, sagt Nina Blazon

Klar, Tolkien ist ein Vorbild für die schon mehrfach preisgekrönte Schriftstellerin. „Er ist das Urgestein“, sagt Blazon. „Tolkiens Bücher sind quasi die Wurzeln der modernen Fantasyliteratur.“ Die Autorin, die am 8. Juli bei den ersten Dragon Days in Stuttgart auftritt, spielt immer wieder gerne in ihren eigenen Werken mit Tolkien-Zitaten, liest ansonsten aber nicht mehr so viel Fantasyliteratur. „Früher war das viel mehr. Jetzt lese ich lieber Klassiker: Dostojewski, Storm.“ Die Anregungen für ihre eigenen Romane kommen eh kaum aus diesem Genre. Die Ideen für ihre historischen Romane kommen ihr meist bei der Lektüre von Biografien oder Sachbüchern.

Ihr neuestes Jugendbuch „Zweilicht“ fiel ihr beim Lesen des Sachbuches „Die Welt ohne uns“ von Alan Weisman ein. Seine naturwissenschaftlich angelegte „Reise über eine unbevölkerte Erde“ befasst sich mit der Frage, was auf der Erde passieren würde, wenn die Menschen verschwänden. In Blazons Roman ist ein Junge zwischen zwei Mädchen hin- und hergerissen. Die eine lebt in der realen Welt, die andere in einer verwunschenen Parallelwelt, die seit Jahrhunderten kein Mensch betreten hat. Die Grenzen dieser Welten drohen zu verwischen. Nina Blazon hat eine Leidenschaft für solche Szenerien: Dinge und Menschen verwandeln sich, Sicherheiten werden erschüttert, Verbindungen lösen sich. Und irgendwo grüßt sicher Tolkien.