Exklusiv 20 Jahre lang hat sie als ZDF-Kommissarin das Elend der Welt geschultert. Damit ist jetzt Schluss, denn Hoger kann auch anders, wie sie in der Komödie „Uferlos“ zeigt.

Stuttgart - Die Frage liegt einem auf der Zunge? Wie ist es, wenn man einen Vogel hat. In Hannelore Hogers neuem Film geht es um das Tüpfelsumpfhuhn. Man hört und sieht es nicht in Rainer Kaufmanns ZDF-Komödie „Uferlos“. Und doch ist dieser vor dem Aussterben bedrohte Vogel der Schlüssel zu einer Geschichte, die von einem Biotop an einem brandenburgischen See erzählt und davon, wie es die eigenbrötlerische Naturschützerin Marlies, gespielt von Hannelore Hoger, verteidigt – wenn es sein muss, mit einer Hacke in der Hand. Um die Freigabe eines Uferweges zu verhindern, geht sie bis an den Rand des Gesetzes. Sie kidnappt den Kater des Nachbarn Mikkel (Rolf Lassgard). Sie fackelt die Sandalen von Mikkels Geliebter mit dem Gasbrenner ab. Das Sumpfhuhn zeigt die Schauspielerin von einer Seite, die viele nicht an ihr kennen. Und dennoch verkneift man sich die Frage nach dem Vogel lieber, wenn man in ihr Büro im ZDF-Hauptstadtstudio tritt, wo sie in einem Sessel sitzt, nein thront. Eine Diva.

 

Erstaunlich zart wirkt sie in einem weißen Kleid, das ihr gerade einmal bis zu den Knien reicht. Doch dann hört man ihre heisere, leicht knarzende Stimme, die immer ein bisschen so klingt, als sei es letzte Nacht später geworden in der Bar. Und sie erscheint einem merkwürdig vertraut.

Den Durchbruch schaffte sie als Kommissarin

Hannelore Hoger ist „Bella Block“, Deutschlands älteste TV-Kommissarin. Oder ist „Bella Block“ Hannelore Hoger? Nach knapp zwanzig Jahren ist sie mit dieser Figur verschmolzen. Und kaum einer fragt noch, wer zuerst da war: der Vogel oder das Ei? Stehauffrau, das ist der Stempel, den ihr das Fernsehen verpasst hat. Tough, launenhaft und gesegnet mit einem Selbstbewusstsein, das die einen burschikos und die anderen biestig nennen. Und wäre da nicht ihre Gabe, Tätern und Opfern so tief ins Herz zu schauen, bis sie ihr eigenes Gesicht auf dem Grund erkennt, wer weiß, ob ihr das Publikum 33 Episoden lang gefolgt wäre. Doch, versichert die Schauspielerin in diesem aufreizend lässigen Hamburg-Sound. Die Rolle sei ein Glücksfall für sie gewesen, nicht nur finanziell.

Im vergangenen Jahr hat sie den Grimme-Preis für ihr Lebenswerk gewonnen. Es war der Ritterschlag für eine Schauspielerin, die den kommerziellen Durchbruch erst in einem Alter schaffte, in dem andere Kolleginnen aussortiert werden. Das war 1993. Hoger, die mit neunzehn Mutter geworden und ihre Tochter Nina alleine großgezogen hatte, war da schon fünfzig. Eine gefeierte Theaterschauspielerin, Muse von Regisseuren wie Peter Zadek und Alexander Kluge. Sie sagt, mit der Rolle der ZDF-Kommissarin habe sie etwas gewonnen, was im Fernsehen unverzichtbar sei: Wiedererkennungswert.

Sex-Szenen nur, wenn die Dramaturgie es erfordert

Sie verschränkt die Arme hinter dem Kopf und rutscht ein Stück tiefer in ihren Sessel. Zwar leicht erschöpft vom stundenlangen Interview-Marathon, ist La Hoger trotzdem offen und freundlich. Es geht um Bella, diese Trümmerfrau unter den deutschen Kommissarinnen, die darunter leidet, dass sie immer erst gerufen wird, wenn wieder eine Welt in Stücke gefallen ist. Eine Wegbereiterin für Rosa Roth, Eva Blond und all die anderen Kommissarinnen, die jetzt in der Prime Time Schlange stehen, um Verbrecher zu jagen.

Fragt man die Hoger, welcher Kollegin der jungen Generation sie gerne zuschaut, fällt der Name Connie Mey. So hieß die letzte Tatort-Kommissarin in Frankfurt, gespielt von Nina Kunzendorf. „Die hatte Standing“. Eine Ermittlerin, genauso widerborstig wie Bella Block, aber eine, die sich auch traute, die Waffen der Frau einzusetzen. Das unterschied sie von Bella Block. Oder hat man die jemals in Strapsen gesehen? Natürlich habe sie Bella, einer Figur der Krimi-Autorin Doris Gercke, ihren persönlichen Stempel aufgedrückt, sagt sie. Und nicht immer habe sie sich dabei an die Regeln des ZDF gehalten. „Ich darf nicht rauchen und nicht zu viel trinken, es sei denn, man macht einen Film über Alkoholismus. Das finde ich falsch. Wir haben das Verbot immer mal wieder durchbrochen.“ Aber auf Sex-Szenen hätte sie sich nur eingelassen, wenn es die Dramaturgie erfordert hätte.

Einmal auf der anderen Seite stehen und die Böse sein

Jetzt ist sie 71. Fragt man sie, ob es nicht an der Zeit sei, dass das Fernsehen auch Darstellern in ihrem Alter ein Recht auf Zärtlichkeit zugestehe, wehrt sie empört ab. Sie fühle sich zwar wie 51. Doch für Frauen sei es schon schwer genug, sich mit den „Demütigungen des Alters“ zu arrangieren. Gerade habe sie sich beim Training im Fitness-Studio einen Muskel gezerrt. Schon deshalb sei sie froh darüber gewesen, das die Sex-Szene im Stehen in der neuen ZDF-Komödie einer jüngeren Kollegin vorbehalten blieb. „Ich hätte gesagt, mir ist das zu unbequem.“ Sie lacht laut auf. Ein Flirt mit dem fünfzehn Jahre jüngeren Mikkel, ist alles, was ihr der Film abverlangt. Die Chemie zwischen ihr und Rolf Lassgard stimmt, auch im richtigen Leben. Zum dritten Mal steht sie mit dem Darsteller des Kommissars Wallander vor der Kamera. Im Film schaut sie trotzdem verschämt zur Seite, als sie gemeinsam auf den See herausrudern und er spontan ins Wasser springt – in Unterhose, mehr mutet ihr das ZDF nicht zu.

Dabei kann sie auch anders. „Ich würde gerne mal auf der anderen Seite stehen und die Böse sein.“ Zeit genug hätte sie. Bella quittiert den Dienst. Das hatte sie im Januar verkündet. Vielleicht ein bisschen vorschnell. Soeben hat sie ihre 34. Folge gedreht, ein oder zwei weitere Fälle werden folgen. Man denkt an Tina Turner, die auch schon seit Jahren Bye-bye sagt. Ist es so schwer, Abschied zu nehmen? „Nö“, sagt Hoger. Den Vertrag habe sie nur auf Drängen der Ufa unterschrieben, ihrer Produktionsfirma. Bella sei eben ein Quotengarant. Mit der könne man Geld verdienen. Ein Argument, das nicht unterschätzt werden sollte. Sie sagt, drei Filme im Jahr schaffe sie schon noch. Und ganz aufzuhören, könne sie sich sowieso nicht leisten. „Von meiner staatlichen Rente allein könnte ich kein Altersheim bezahlen.“